Der Sieger bleibt allein (German Edition)
weiterzufahren und den Verkehr nicht aufzuhalten.
Der berühmte Schauspieler atmet tief durch. Heute ist nicht sein Glückstag. Warum hat er das bloß alles der Jungschauspielerin neben sich erzählt? Ja, es stimmt, er hat das Leben, das er führt, satt, und dennoch kann er sich kein anderes vorstellen.
»Laufen Sie nicht gleich los!«, sagt er. »Wir werden alles tun, um uns so lange wie möglich hier unten aufzuhalten. Halten wir einen guten Abstand zwischen uns und dem Mädchen.«
Das »Mädchen« war der Superstar.
Das Paar aus dem Wagen vor ihrem scheint nicht viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – obwohl beide wichtig sein mussten, denn keiner, der in seinem Leben nicht schon viele Berge erklommen hat, gelangt auch nur in die Nähe dieser Stufen.
Ihr Begleiter wirkt jetzt entspannter, aber nun ist Gabriela nervös, weiß nicht genau, wie sie sich verhalten soll. Sie hat feuchte Hände, packt die Tasche, in der nur Papier steckt, atmet tief durch und spricht ein Gebet.
»Gehen Sie langsam«, sagt der berühmte Schauspieler. »Und bleiben Sie nicht so nah an mir dran.«
Die Limousine hält. Beide Türen werden geöffnet.
Und plötzlich bricht ein ungeheurer Lärm über sie herein, Schreie von allen Seiten – es war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie in einem schalldichten Wagen gesessen und deshalb nichts davon mitbekommen haben. Der Filmstar steigt lächelnd aus, als wären die letzten zwei Minuten nicht gewesen und er immer noch der Mittelpunkt des Universums – ungeachtet seines Geständnisses im Wagen, das ehrlich gewirkt hatte: der Mann, der mit sich selbst, mit seiner Welt, mit seiner Geschichte im Widerstreit steht – und dennoch keinen Schritt zurück tun kann.
›Wo bin ich bloß mit meinen Gedanken?‹, ruft sich Gabriela zur Ordnung. ›Ich muss mich konzentrieren! Das Hier und Jetzt genießen! Die Stufen hinaufgehen!‹
Die beiden winken der Presse »zweiter Klasse« zu und verbringen dort eine geraume Zeit. Leute strecken ihnen irgendwelche Zettel hin, der Filmstar gibt Autogramme und bedankt sich bei den Fans. Gabriela weiß nicht recht, ob sie sich neben ihn stellen oder zum roten Teppich und zum Eingang des Palais des Congrès gehen soll – aber jemand, der ihr Papier und Kugelschreiber hinstreckt und um ein Autogramm bittet, rettet sie.
Es ist nicht das erste Autogramm ihres Lebens, aber das erste wichtige. Sie schaut die Frau an, die es bis in den reservierten Teil geschafft hat, fragt nach ihrem Namen – kann aber wegen des Geschreis der Fotografen nichts verstehen.
Ach, wie schön wäre es, wenn diese Zeremonie live in die ganze Welt übertragen würde, ihre Mutter sehen könnte, wie sie in einem umwerfenden Kleid in Begleitung eines wahnsinnig berühmten Filmschauspielers (obwohl sie, was dessen Berühmtheit betraf, langsam ihre Zweifel hat..., aber sie lässt sich schon wieder ablenken) den roten Teppich betritt, wie sie mit 25 Jahren ihr erstes wichtiges Autogramm gibt! Sie versteht den Namen der Frau nicht, lächelt und schreibt einfach »Herzlich«.
Der Filmstar kommt zu ihr.
»Kommen Sie, gehen wir! Der Weg ist frei!«
Die Frau, der sie gerade die freundlichen Worte geschrieben hat, liest sie und beschwert sich:
»Ich wollte kein Autogramm. Ich brauche Ihren Namen, um Sie auf dem Foto identifizieren zu können.«
Gabriela tut so, als habe sie es nicht gehört – nichts auf dieser Welt darf den magischen Augenblick zerstören.
Sie beginnen den wichtigsten Laufsteg Europas zu beschreiten, an dem, obwohl das Publikum weit weg ist, Polizisten eine Art Sicherheitskordon bilden. Zu beiden Seiten zeigen auf der Fassade des Gebäudes riesige Plasmabildschirme den gewöhnlichen Sterblichen, was gerade in diesem Freiluftheiligtum abläuft. Von fern ertönen hysterische Schreie und Applaus. Als sie auf einem Treppenabsatz angelangt sind, bemerkt sie noch eine Fotografenmeute, nur trägt diese Smoking. Sie schreien den Namen des berühmten Filmschauspielers, bitten ihn, sich hierhin, dorthin zu drehen, noch eins, kommen Sie bitte etwas näher, schauen Sie hoch, schauen Sie nach unten! Andere Personen gehen an ihnen vorbei die Stufen hinauf, aber die Fotografen sind an ihnen nicht interessiert. Der berühmte Filmschauspieler besitzt noch all seinen Glamour, tut etwas gelangweilt, scherzt, um zu zeigen, dass er entspannt und ihm das alles sehr vertraut ist.
Gabriela bemerkt, dass auch sie Aufmerksamkeit weckt. Niemand schreit ihren Namen (niemand hat eine Ahnung, wer sie
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