Der Sieger bleibt allein (German Edition)
vielerlei Hinsicht naiv sein, aber sie ist eine Frau und weiß, wie man einen Mann um den Finger wickelt. In diesem Fall packt sie ihn bei seiner Eitelkeit.
»Ich weiß nicht, ob es das ist, was ich immer wollte.« Der Filmstar ist ihr auf den Leim gegangen und zeigt nun seine zerbrechlichere Seite, während draußen die Fans weiter winken. »Wenn ich nach einem anstrengenden Drehtag ins Hotel komme, gehe ich unter die Dusche und höre einfach nur zu, wie das Wasser über meinen Körper rauscht. Ich bin dann von widersprüchlichen Gefühlen erfüllt. Eins sagt mir, dass ich dem Himmel danken müsse, das andere, dass ich mit der Schauspielerei aufhören soll, solange noch Zeit ist.
In solchen Augenblicken fühle ich mich dann wie der undankbarste Mensch der Welt. Ich habe meine Fans, nehme mir aber keine Zeit für sie. Ich werde zu den begehrtesten Partys der Welt eingeladen und würde, sobald ich dort bin, am liebsten gleich wieder gehen und in meinem Hotelzimmer in Ruhe ein gutes Buch lesen. Männer und Frauen, die es gut mit mir meinen, verleihen mir Preise, organisieren Veranstaltungen und versuchen mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, aber in Wahrheit fühle ich mich erschöpft, gehemmt, finde, dass ich das alles nicht verdient habe, weil ich meines Erfolges nicht würdig bin. Verstehen Sie?«
Für den Bruchteil einer Sekunde empfindet Gabriela Mitgefühl für den Mann neben ihr: Sie stellt sich die vielen Partys vor, zu denen er in diesem Jahr schon hat gehen müssen, bei denen er keine ruhige Minute hat, weil andauernd jemand ein Foto oder ein Autogramm von ihm will, während ein anderer ihm eine vollkommen uninteressante Geschichte erzählt, der er scheinbar interessiert zuhört, und ein weiterer ihm irgendein Projekt vorstellt und ihm sein Handy hinstreckt und ihn mit der peinlichen rhetorischen Frage ›Sie erinnern sich doch sicher noch an mich?‹ dazu bringt, dass er dem Sohn, der Ehefrau, der Schwester ein paar Worte in den Hörer sagt. Und immer bleibt er aufgeräumt, aufmerksam, gut gelaunt und höflich, ein absoluter Profi.
»Verstehen Sie?«
»Ja, ich verstehe Sie gut. Aber ich hätte gern die Konflikte, mit denen Sie sich herumschlagen müssen, und ich weiß, dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist.«
Noch vier Limousinen, und sie würden an ihrem Ziel angelangt sein. Der Fahrer weist sie darauf hin, dass es Zeit ist, sich vorzubereiten. Der Filmstar klappt einen kleinen Spiegel von der Decke und rückt seine Krawatte zurecht, und Gabriela richtet ihr Haar. Sie kann schon ein kleines Stück vom roten Teppich sehen, obwohl die Treppe noch nicht in ihrem Blickfeld aufgetaucht ist. Die Hysterie ist jetzt wie durch Zauberhand verschwunden, die Menschenmenge besteht nun aus Leuten, die Badges um den Hals tragen, miteinander reden und sich überhaupt nicht um die Insassen der Wagen kümmern, weil sie die gleiche Szene jedes Jahr wieder erleben.
Noch zwei Wagen sind vor ihnen. Links tauchen jetzt ein paar Stufen auf. Männer in Anzug und Krawatte öffnen die Wagentüren, und statt der blanken Eisengitter gibt es hier Samtkordeln, die von Pfosten aus Holz und Bronze gehalten werden.
»Mist!«
Der Filmstar stößt einen Schrei aus, und Gabriela zuckt zusammen.
»Mist! Schauen Sie bloß, wer da ist! Schauen Sie, wer dort vorn aus dem Wagen steigt!«
Gabriela sieht einen weiblichen Superstar (ebenfalls in einer Robe von Hamid Hussein), die gerade ihren Fuß auf den Anfang des roten Teppichs gesetzt hat. Der weibliche Superstar dreht sich um, und als Gabriela ihrem Blick folgt, staunt sie: eine fast drei Meter hohe Mauer aus Menschen, deren Blitzlichter unaufhörlich aufflammen.
»Sie schaut in die verkehrte Richtung«, tröstet sich der berühmte Schauspieler laut, dem sein ganzer Charme, seine ganze Freundlichkeit mitsamt den existentiellen Problemen abhandengekommen sind. »Die da sind nicht akkreditiert. Sie sind von der Presse zweiter Klasse.«
»Wieso haben Sie ›Mist‹ gesagt?«
Der Filmstar schnaubt nur empört. Jetzt ist nur noch ein Wagen vor ihnen.
»Checken Sie das denn nicht? Auf welchem Stern leben Sie bloß, Mädchen? Wenn wir den roten Teppich betreten, sind die Kameras der akkreditierten Fotografen, die genau in der Mitte des Weges zum Eingang postiert sind, auf sie gerichtet.«
Und, zum Fahrer gewandt:
»Fahren Sie langsamer!«
Der Fahrer zeigt auf einen nicht uniformierten Mann, der ebenfalls ein Badge um den Hals trägt und sie mit Handzeichen auffordert,
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