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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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entfernt. Vom Mittelstreifen der Croisette aus ein Taxi herbeiwinken zu wollen, ist aussichtslos. Er hat gelernt, dass man in einem Hotel wie diesem am besten als Erstes dem Concierge ein großzügiges Trinkgeld gibt, ohne gleich um eine Gegenleistung zu bitten. Alle erfolgreichen Geschäftsleute tun das, und so bekommen sie immer problemlos einen Tisch im besten Restaurant, Eintrittskarten für begehrte Shows, Informationen über jene Örtlichkeiten der Stadt, die nicht in den Stadtführern aufgeführt sind, weil brave Bürger sonst geschockt wären.
    Mit einem Lächeln bittet er darum, einen Wagen zu bekommen, und erhält sofort einen, während ein Gast neben ihm am Empfang sich bitter darüber beklagt, wie schwierig es ist, in Cannes ein Taxi zu finden. Dankbarkeit, Bedürfnisse, Kontakte. Jedes Problem kann gelöst werden.
    Sogar die komplizierte Anfertigung eines silbrigen Umschlags mit dem suggestiven »Für Dich« in Schönschrift. Er hatte ihn sich aufgehoben, um ihn ganz zum Schluss seiner Mission einzusetzen, denn wenn Ewa schon seine anderen Botschaften nicht verstanden hatte, dann ließ diese – die raffinierteste von allen – keinen Raum für Zweifel.
    Seine alten Freunde hatten alle Register gezogen. Sie hätten ihm seinen Wunsch auch umsonst erfüllt, doch er zahlte lieber den regulären Preis. Er hatte Geld und hasste Schulden.
    Er stellte keine unnötigen Fragen, wusste aber, dass die Person, die den Umschlag verschlossen hatte, dazu Handschuhe und eine Gasmaske tragen musste. Nun, in diesem Fall war der Preis eher gerechtfertigt als der für das Curare, denn es war schwieriger, mit der Substanz umzugehen – auch wenn sie ziemlich leicht zu beschaffen war, denn sie wurde in der Metallverarbeitung, der Herstellung von Papier, Kleidung und Plastik verwendet. Sie trägt den merkwürdigen Namen Blausäure, riecht nach Bittermandeln und sieht harmlos aus.
    Er verschwendet keinen Gedanken an die Person, die den Umschlag verschlossen hat, sondern stellt sich lieber vor, wer ihn öffnen könnte – nah am Gesicht, wie man es normalerweise tut. Der männliche oder weibliche Gast wird eine weiße Karte darin finden, auf der vom Computer gedruckt auf Französisch steht:
    »Katyusha, je t’aime.«
    ›Katyusha? Was hat denn das zu bedeuten?‹
    Der Gast bemerkt, dass die Karte mit Staub bedeckt ist. Der Kontakt mit der Luft lässt den Staub zu Gas werden. Bittermandelgeruch verbreitet sich.
    Der Gast ist überrascht. Der Absender hätte sich einen schöneren Duft aussuchen können. Wahrscheinlich handelt es sich um eine dieser Parfumreklamen. Er zieht die Karte aus dem Umschlag, dreht sie hin und her, und das aus dem Staub entweichende Gas verbreitet sich immer schneller.
    ›Was soll der Unsinn?‹
    Das wird sein letzter zusammenhängender Gedanke sein. Der Gast legt die Karte auf den Tisch und überlegt auf dem Weg ins Bad: Soll ich eine Dusche nehmen? Soll ich mich zu Ende schminken? Soll ich noch schnell die Krawatte zurechtrücken?
    In diesem Augenblick merkt er, dass sein Herz rast. Er bringt das nicht sofort mit dem Duft in Zusammenhang, der sein Zimmer jetzt ganz erfüllt – schließlich hat er oder sie keine Feinde, nur Konkurrenten und Gegner. Noch bevor er das Bad erreicht, merkt der Gast, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, setzt sich auf die Bettkante. Unerträglicher Kopfschmerz und Atemschwierigkeiten sind die nächsten Symptome. Kurz darauf folgt Brechreiz. Doch der Gast wird keine Zeit mehr haben, sich zu erbrechen. Er verliert schnell das Bewusstsein, noch bevor er den Inhalt des Umschlages mit seinem Zustand in Verbindung bringen kann.
    Weil die Konzentration des Wirkstoffs hoch ist, hört wenige Minuten später die Lunge auf zu funktionieren, der Körper verspannt sich, Krämpfe setzen ein, das Herz pumpt kein Blut mehr, und der Tod tritt ein.
    Schmerzlos. Barmherzig. Human.
    Igor steigt ins Taxi, gibt die Zieladresse an. Hôtel du Cap, Eden Roc, Cap d’Antibes.
    Das große Galadinner dieses Abends.
     
     

19 Uhr 40
     
     
     
    Der Androgyne, der jetzt zu seiner engen Hose, die seine Hagerkeit noch betont, ein schwarzes Hemd, eine weiße Fliege und eine Art indische Tunika trägt, meint, wenn der Verkehr weiterhin so problemlos fließe, würden sie unter den Ersten beim Eden Roc ankommen. Das könne Vor- und Nachteile haben.
    Gabriela, die inzwischen eine weitere Make-up- und Hairstylingsession hinter sich hat (diesmal bei einer von ihrer Arbeit vollkommen

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