Der Sieger bleibt allein (German Edition)
brillante Karriere vor sich hatten und voller Kreativität und Begeisterung mit ihrer Arbeit angefangen haben, hocken jetzt ängstlich in einer Ecke. Sie wissen, dass sie vor einer ernsten Herausforderung stehen und eigentlich schnell handeln müssten, doch Hierarchie und die Rückversicherung nach oben ist wichtiger. Die Presse wartet nur darauf, der Polizei Brutalität vorwerfen zu können, die Steuerzahler beklagen sich, dass nichts geschieht – beides ist Grund genug, die Verantwortung nach oben weiterzureichen.
Savoys Anruf ist reiner Bluff. Der Inspektor weiß bereits, wer der Mörder ist. Er wird ihn allein festnehmen, niemand anders wird sich für die Lösung des größten Falles der Polizei von Cannes die Lorbeeren anstecken können. Er muss kaltblütig bleiben, kann aber gleichzeitig das Ende dieses Treffens kaum erwarten.
Als er sich wieder zu den anderen an den Tisch setzt, eröffnet ihm der Kommissar, Stanley Morris, der große Spezialist von Scotland Yard, habe gerade aus Monte Carlo angerufen. Seiner Ansicht nach müssten sie sich keine Sorgen machen, der Täter würde kaum noch einmal dieselbe Waffe benutzen.
»Wir könnten es mit einer neuen Terrordrohung zu tun haben«, sagt der Ausländer.
»Das ist durchaus möglich«, pflichtet ihm der Kommissar bei. »Aber im Gegensatz zu Ihnen wollen wir auf gar keinen Fall, dass die Bevölkerung in Panik gerät. Wir müssen hier eine Pressemitteilung formulieren, damit die Journalisten nicht selber ihre Schlüsse ziehen und sie heute Abend in den Fernsehnachrichten verbreiten. Wir haben es mit einzelnen terroristischen Akten zu tun: möglicherweise einem Serienmörder.«
»Aber –«
»Kein ›aber‹...!« Die Stimme des Kommissars klingt jetzt hart und autoritär. »Die Botschaft Ihres Landes wurde kontaktiert, weil der Tote von dort stammt. Sie sind hier, weil wir Sie hergebeten haben. Im Falle der beiden anderen Opfer, die Amerikaner waren, hat niemand es für nötig befunden, einen Vertreter zu schicken, obwohl in einem der beiden Fälle ebenfalls Gift verwendet worden ist.
Wenn Sie uns hier jetzt glauben machen wollen, dass wir es mit einer kollektiven Drohung zu tun haben, in der biologische Waffen angewendet werden, können Sie sofort gehen. Wir werden aus einem Kriminalfall keinen politischen Fall machen. Wir wollen hier nämlich nächstes Jahr wieder ein Filmfestival mit dem üblichen Glanz und Glamour haben, und darum glauben wir dem Spezialisten von Scotland Yard und werden eine Pressemitteilung entwerfen, die seinen Ausführungen folgt.«
Der Ausländer schweigt.
Der Kommissar ruft einen Assistenten, bittet ihn, zu den Journalisten zu gehen und ihnen zu sagen, dass sie in zehn Minuten die Informationen erhalten werden, auf die sie warten. Der Gerichtsmediziner sagt, es sei möglich, die Herkunft der Blausäure zurückzuverfolgen, weil sie eine ›Handschrift‹ hinterlasse, doch das könne mehr als zehn Minuten dauern – möglicherweise eine ganze Woche.
»Es gibt Spuren von Alkohol in seinem Organismus. Die Haut ist rot, der Tod ist also fast sofort eingetreten. Es gibt keinen Zweifel darüber, welches Gift verwendet wurde. Wäre es eine Säure gewesen, hätten wir Verätzungen an Nase und Mund gefunden; im Falle von Belladonna wären die Pupillen erweitert, und –«
»Herr Doktor, wir wissen, dass Sie Medizin studiert haben und die Todesursache bestimmen können, und wir zweifeln auch nicht an Ihrer Kompetenz. Wir folgern also daraus, dass es sich um Blausäure handelt.«
Der Mediziner nickt und beißt sich auf die Lippe, schluckt seinen Ärger herunter.
»Und was ist mit dem zweiten Mann im Krankenhaus, dem Filmregisseur?«
»Wir behandeln ihn mit reinem Sauerstoff, alle zehn Minuten werden intravenös sechshundert Milligramm Kelcyanor gegeben, und wenn das nicht hilft, können wir eine fünfundzwanzigprozentige Natriumtrisulphatlösung zugeben.«
Die Stille im Raum ist fast mit Händen zu greifen.
»Verzeihung. Die Antwort ist: Er kommt durch.«
Der Kommissar notiert sich etwas auf einem gelben Zettel. Er hat keine Zeit zu verlieren, dankt allen, sagt dem Ausländer, er solle, um Spekulationen zu vermeiden, nicht mit ihnen zusammen hinausgehen. Dann geht er kurz ins Bad, rückt die Krawatte zurecht, bittet Savoy, dies auch zu tun.
»Morris hat gesagt, der Mörder werde das nächste Mal nicht wieder Gift verwenden. Er meint, der Mörder folge womöglich unbewusst einem Muster. Welches könnte das sein?«
Savoy hat auf der
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