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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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verliert für einen Moment seine Kaltblütigkeit.
    »Nein, habe ich nicht!«, bellt er. »Ich fülle keine Formulare aus. Wissen Sie, was das Problem in unserem Land ist, Madame? Wir sind alle zu gehorsam! Aber das ist nicht nur unser Problem, sondern das Problem der ganzen Welt! Würden Sie etwa nicht gehorchen, wenn Ihr Sohn in den Krieg geschickt würde? Würde Ihr Sohn etwa nicht gehorchen? Da sehen Sie es! Und wo Sie schon so gehorsam sind, begleiten Sie mich jetzt bitte hinauf, oder ich nehme Sie fest wegen Begünstigung!«
    Die Frau ist vor Schreck zusammengezuckt. Brav geht sie mit Savoy und dem anderen Polizisten zum Fahrstuhl, der von ganz oben herunterkommt und in jedem Stockwerk anhält, wo doch jetzt jede Minute zählt und Menschenleben davon abhängen, dass sie schnell handeln. Sie beschließen, die Treppe zu nehmen. Die Managerin schimpft, sie trägt hohe Absätze, aber Savoy sagt, sie solle die Schuhe ausziehen und mitkommen. Sie eilen die Marmorstufen hinauf, ziehen sich an den bronzenen Treppengeländern hoch. Die vor den Fahrstühlen wartenden Gäste, an denen sie vorbeikommen, fragen sich bestimmt, wer die barfüßige Frau mit den Schuhen in der Hand ist, was ein Polizist in Uniform im Hotel macht und warum die drei so rennen? Passiert da gerade etwas Schlimmes? Und wenn ja, warum nehmen sie dann nicht den Fahrstuhl, der doch viel schneller ist? Und die Gäste sagen sich auch: Das verkommt hier ja zu einem fünftklassigen Festival, wenn die Hotels sich bei der Auswahl ihrer Gäste schon keine Mühe mehr geben und wenn die Polizei ins Haus eindringt wie in ein x-beliebiges Bordell. Gleich werden sie sich beim Manager beschweren – ohne zu ahnen, dass es sich bei der Frau ohne Schuhe, die gerade die Treppe hinaufrennt, um ebendiesen Manager handelt.
    Sie kommen schließlich an die Tür des Zimmers, in dem der Mörder untergebracht ist. Zu diesem Zeitpunkt hat ein Mitglied der »Flurüberwachungsabteilung« bereits jemanden geschickt, um nachzusehen, was dort los ist. Der erkennt die Managerin, fragt, ob er helfen kann.
    Savoy bittet ihn, leiser zu sprechen, ja, er könne helfen. Ob er eine Waffe habe. Der Sicherheitsmann verneint das.
    »Bleiben Sie trotzdem hier!«
    Sie flüstern. Die Managerin soll an die Tür klopfen, während die drei – Savoy, der Polizist in Uniform und der Sicherheitsmann – sich draußen an die Wand drücken. Savoy zieht seine Waffe aus dem Halfter. Der Polizist in Uniform tut es ihm gleich. Die Managerin klopft dreimal, erhält keine Antwort.
    »Er wird ausgegangen sein.«
    Savoy bittet sie, mit dem Generalschlüssel zu öffnen. Sie erklärt, darauf sei sie nicht vorbereitet – und selbst wenn sie es wäre, würde sie diese Tür nur mit der Erlaubnis des Generaldirektors öffnen.
    Erstaunlicherweise trägt Savoy ihre Weigerung mit Fassung.
    »Ach, lassen Sie nur. Dann fahre ich jetzt eben hinunter und warte im Raum der Sicherheitskontrolle. Der Gast wird früher oder später wiederkommen, und ich wäre gern der Erste, der ihn vernimmt.«
    »Wir haben eine Fotokopie seines Passes und die Nummer seiner Kreditkarte. Warum sind Sie an diesem Mann interessiert?«
    »Das ist jetzt nicht so wichtig.«

21 Uhr 02
     
     
     
    Eine halbe Autostunde von Cannes entfernt, in einem anderen Land, in dem dieselbe Sprache gesprochen, dieselbe Währung benutzt wird, es keine Grenzkontrolle gibt, das aber ein ganz anderes politisches System hat als Frankreich– es wird wie in alten Zeiten von einem Fürsten regiert –, sitzt ein Mann vor seinem Computer. Vor einer Viertelstunde hat er eine E-Mail mit der Mitteilung erhalten, dass ein berühmter Schauspieler ermordet wurde.
    Morris schaut das Bild des Opfers an: Er hat nicht die geringste Ahnung, um wen es sich handelt, da er lange nicht im Kino war. Aber er muss jemand Wichtiges sein, wenn ein Nachrichtenportal die Nachricht umgehend verbreitet.
    Obwohl Morris schon im Ruhestand ist, sind Fälle wie dieser für ihn wie ein großes, faszinierendes Schachspiel, und er hat beim Schach noch nie gern verloren. In diesem Fall geht es nicht um seine Karriere, sondern um sein Selbstwertgefühl.
    Es gibt ein paar Regeln, die er immer befolgt hat, als er noch bei Scotland Yard arbeitete: zuerst an alle falschen Möglichkeiten denken. Es war wie eine Lockerungsübung– weil man dann nicht darauf fixiert war, richtigzuliegen. Bei den langweiligen Treffen mit den Kollegen hatte er es immer geliebt, die anderen zu provozieren, indem er sagte:

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