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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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›All Ihr Wissen stammt aus jahrelanger Erfahrung. Doch diese alten Lösungen sind nur für ebenfalls vergangene Probleme gut. Wenn Sie kreativ sein wollen, vergessen Sie einfach, dass Sie Erfahrung haben!‹
    Die höheren Dienstgrade taten dann jedes Mal so, als würden sie sich Notizen machen, die jungen Leute schauten ihn entsetzt an, und das Treffen wurde fortgesetzt, als hätte er nichts gesagt. Aber er wusste, dass seine Botschaft angekommen war und die Vorgesetzten – selbstverständlich ohne ihm die verdiente Anerkennung dafür zu geben – bald anfangen würden, neue Ideen zu verlangen.
    Er druckt die Dateien aus, die ihm die Polizei aus Cannes geschickt hat. Er hasst Papierverschwendung, weil er nicht als Mörder des Waldes dastehen möchte, doch manchmal ist es unvermeidbar.
    Er beginnt damit, den modus operandi oder, anders gesagt, die Vorgehensweise des Täters zu untersuchen. Die Tageszeit (ebenso morgens wie nachmittags wie abends), die Waffe (Hände, Gift, Stilett), Art des Opfers (Männer und Frauen verschiedenen Alters), Annäherung an das Opfer (zwei Morde mit direktem Kontakt, zwei ganz ohne Kontakt), Reaktion der Opfer dem Täter gegenüber (in allen Fällen nicht vorhanden).
    Wenn er spürt, dass er vor einem Tunnel ohne Ausgang steht, lässt er seine Gedanken am liebsten schweifen, während sein Unbewusstes weiterarbeitet. Er geht auf die Website der New York Stock Exchange, studiert die Börsenkurse. Da er selber kein Geld in Aktien angelegt hat, gibt es für ihn nichts Langweiligeres, aber genauso funktioniert es: Die langjährige Erfahrung analysiert alle bislang gespeicherten Informationen, die Intuition formuliert derweil neue und kreative Antworten. Als zwanzig Minuten später sein Kopf ganz leer ist, schaut er wieder in die Dateien.
    Das Verfahren hat Erfolg: Die Morde weisen doch Gemeinsamkeiten auf.
    Der Mörder ist gebildet. Er wird Tage, Wochen in einer Bibliothek verbracht, studiert haben, wie er seine Vorhaben am besten umsetzen soll. Er kann mit Giften umgehen – und wird nicht selber mit der Blausäure hantiert haben. Er hat genug Anatomiekenntnisse, um das Stilett an der richtigen Stelle, ohne auf einen Knochen zu treffen, in den Körper zu stoßen. Er kennt sich mit Curare aus. Möglicherweise hatte er etwas über Serienverbrechen gelesen und weiß deshalb, dass die Polizei über eine Art »Handschrift« immer zum Täter findet, und hat darum seine Morde ganz unterschiedlich, ohne einen modus operandi , ausgeführt.
    Doch das ist unmöglich: Das Unbewusste des Mörders hat ohne Frage seine Handschrift hinterlassen – nur kann Morris sie bislang nicht entziffern.
    Dann gibt es noch etwas Wichtiges: Geld. Genug, um einen Kurs in Sambo zu machen und um ganz sicher zu sein, welche Punkte am Körper des Opfers er berühren muss, um es zu lähmen. Der Mörder verfügt auch über Kontakte, denn die Gifte hat er schließlich nicht in der Apotheke an der Ecke gekauft. Es sind raffinierte chemische Waffen, deren Herstellung er bestimmt anderen überlassen hat und deren Anwendung einiges Können voraussetzt.
    Außerdem arbeitet er schnell, woraus Morris schließt, dass der Mörder nicht mehr lange in Cannes bleiben wird. Vielleicht noch eine Woche, vielleicht noch ein paar Tage.
    Was könnte der Täter beabsichtigen?
    Wenn es Morris jetzt nicht gelingt, zu einer Schlussfolgerung zu kommen, dann kann es nur daran liegen, dass er sich an die Spielregeln gewöhnt und jene Unschuld verloren hat, die er seinen Untergebenen früher immer abverlangte. Aber erwarten das letztlich nicht alle von einem? Dass man im Laufe seines Lebens mittelmäßig wird und die Begeisterung verliert? Und das Alter wird von der Gesellschaft als Stigma, nicht als Zeichen von Weisheit angesehen. Alle glauben, dass jemand über fünfzig nicht mehr imstande ist, sich den schnellen Veränderungen in der heutigen Welt anzupassen.
    Selbstverständlich kann er nicht mehr so schnell laufen wie früher, und er braucht eine Lesebrille. Aber sein Verstand ist klarer denn je – jedenfalls möchte er das gern glauben.
    Aber was ist nun mit den Morden? Wenn er so intelligent ist, wie er glaubt, warum gelingt es ihm dann nicht, die Lösung zu finden, was ihm anfangs so einfach vorgekommen ist?
    Im Augenblick sieht er diese Lösung nicht. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als zu warten, bis der nächste Mord geschieht.

21 Uhr 11
     
     
     
    Ein Paar kommt vorbei, beglückwünscht ihn lächelnd zu seinen schönen

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