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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo Coelho
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herumzuflicken. Aber abergläubisch zu sein, dazu ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt – und außerdem müssen wahrscheinlich viele Stars so etwas täglich über sich ergehen lassen, ohne dass ihnen etwas Böses geschieht.
    Noch jemand kommt herein. Er schleppt einen riesigen Koffer in eine Ecke des großen Raumes und klappt ihn dort auseinander. Es handelt sich um ein tragbares Make-up-Studio mit einem von Glühbirnen umrandeten Spiegel. Währenddessen kniet der Androgyne vor ihr und lässt sie einen Schuh nach dem anderen anprobieren.
    Aschenputtel! Das bald schon dem Märchenprinzen begegnen und die Stufen mit ihm hinaufgehen wird.
    »Diese hier sind okay«, sagt die Frau.
    Der Androgyne packt die anderen Schuhe wieder in die Schachteln.
    »Zieh dich wieder aus. Wir ändern das Kleid, während du frisiert und geschminkt wirst.«
    Wie gut, dass das Genähe an ihrem Körper aufhört. Ihr Schicksal ist nun wieder unbelastet.
    Nur mit dem Slip bekleidet, wird sie ins Badezimmer geführt. Dort ist bereits ein tragbares Frisierstudio eingerichtet. Ein Mann mit glattrasiertem Kopf erwartet sie und bittet sie, sich zu setzen und ihren Nacken auf eine Art Stahlschüssel zu legen. Der Mann benutzt eine an den Wasserhahn geschraubte Handdusche und scheint wie die beiden anderen am Rande des Nervenzusammenbruchs zu stehen. Er beklagt sich über den Lärm, der von draußen hereindringt. Er brauche einen ruhigen Ort, um ordentlich arbeiten zu können, aber niemand höre auf ihn. Außerdem habe er nie genug Zeit, das zu machen, was er möchte – er müsse alles immer in der letzten Minute tun.
    »Niemand begreift, welche enorme Verantwortung auf meinen Schultern lastet.«
    Er spricht nicht mit Gabriela, sondern redet mit sich selber. Und fährt fort:
    »Glaubst du etwa, man sieht dich, wenn du die Treppe hinaufgehst? Nein, die Leute sehen meine Arbeit. Mein Make-up. Mein Hairstyling. Du bist nur die Leinwand, auf der ich male, das Material für meine Skulpturen. Was werden die anderen sagen, wenn ich etwas falsch mache? Ich kann meinen Job verlieren, ist dir das klar?«
    Gabriela ist gekränkt, aber sie muss sich an so etwas gewöhnen. So ist es also in der Welt des Glamours und des Ruhms. Später, wenn sie wirklich jemand ist, wird sie sich wohlerzogene, freundliche Leute aussuchen, die mit ihr arbeiten. Jetzt bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich auf ihre größte Tugend zu konzentrieren: Geduld.
    Das Gespräch wird vom Lärm des Föhns unterbrochen, der so laut ist wie ein startendes Flugzeug. Wieso beschwert er sich über den Lärm von draußen?
    Nachdem er ihr etwas ruppig das Haar getrocknet hat, bittet er sie, schnell zum tragbaren Make-up-Studio rüberzugehen. Dort ist der Mann plötzlich wie verwandelt: Schweigend betrachtet er Gabrielas Gesicht im Spiegel und scheint in einer anderen Welt zu sein. Er geht hin und her, arbeitet mit Föhn und Bürste wie Michelangelo vielleicht einst mit Hammer und Meißel, als er die Skulptur des David schuf. Und Gabriela schaut angestrengt geradeaus und erinnert sich an den Vers eines portugiesischen Dichters:
     
    Der Spiegel gibt alles richtig wider;
    er irrt sich nicht, weil er nicht denkt.
    Denken heißt vor allen Dingen irren.
     
    Der Androgyne und die Frau, die kurz hinausgegangen waren, kommen zurück. In zwanzig Minuten werde die Limousine vorfahren und Gabriela zum Martinez bringen, wo sie den Filmstar treffen soll. Dort könne man nicht parken. Sie müssten pünktlich dort sein. Der Hairstylist murmelt etwas, führt sich auf wie ein unverstandener Künstler, aber er weiß, dass er sich an die Zeitvorgaben halten muss. Er fängt an, auf ihrem Gesicht zu malen wie Michelangelo seine Fresken in der Sixtinischen Kapelle.
    Eine Limousine! Der rote Teppich! Der Star! Berühmt sein!
    ›Der Spiegel gibt alles richtig wider. Er irrt sich nicht, weil er nicht denkt.‹
    Sie sollte auch nicht denken, denn sonst lässt sie sich womöglich vom Stress oder von der schlechten Laune der anderen anstecken, und dann könnten die negativen Schwingungen zurückkehren. Sie würde gern fragen, was es mit dieser Suite voller Sachen auf sich hat, aber sie muss so tun, als sei ihr das alles längst vertraut. Unter der ernsten Miene der Frau und dem abwesenden Blick des Androgynen gibt Michelangelo seinem Werk den letzten Schliff. Gabriela steht auf, wird schnell angekleidet, schlüpft in die Schuhe. Alles ist Gott sei Dank so, wie es sein soll.
    Irgendwo aus dem Salon holen sie eine

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