Der silberne Buddha
Drake. Ich bin nur sein Diener.“
„Nun gut, Diener, dann wollen wir mal sehen, wie gut die Quellen Ihres Herrn sind. Sollten Sie mich belogen haben, aus welchen Gründen auch immer, werfe ich Sie über den Balkon auf die Straße. Im anderen Fall habe ich nichts dagegen, wenn Sie die Treppe benutzen.“
Bereits während des letzten Satzes nahm Gordon Drake eines der Telefonbücher und warf es auf den Tisch. Nach einer Minute Blättern hatte er gefunden, was er suchte. Tschiang Fu, der seinem Tun bewegungslos mit den Augen gefolgt war, sah ihn fragend an, und etwas wie Ironie schwang in seiner Stimme mit, als er sagte: „Haben Sie die Telefonnummer von Mister Cheng gefunden?“
„Sie irren, Sir! Es ist die Nummer der Polizeistation von Kensington!“
Gordon Drake wählte.
Die Polizeizentrale meldete sich.
„Ja“, nuschelte Drake gelangweilt mit leicht näselnder Stimme ins Telefon, „hier spricht Detektivsergeant Hopkins vom Revier Camberwell. Mir liegt ein Hinweis in der Fahndung nach Gordon Drake vor. Wer bearbeitet...“
„Moment, Sergeant“, unterbrach der Beamte in der Zentrale, „ich verbinde mit Inspektor O’Kelly, der bearbeitet die Sache Drake!“
„Danke!“ erwiderte Drake und legte den Hörer auf die Gabel zurück. Und freundlich zu Tschiang Fu gewandt sagte er:
„Danke! Sie können jetzt die Treppe benutzen. Aber mit etwas Tempo, wenn ich bitten darf. Die Zeit drängt, und ich muß noch eine Menge Vorbereitungen treffen ..
Wenn sich Ereignisse überstürzen
Julie Young meldete sich ausnahmsweise nicht nur selbst, sondern auch sofort. Daraus schloß Perry Clifton, daß im Augenblick weder Mister Hollburn in seinem Büro saß noch Kundschaft in den Verkaufsräumen auf sie wartete. Ihre Freude über Perrys Anruf war nicht zu überhören, und wie immer steckte sie voller Schalk und guter Laune. Perry hielt sich nicht mit langen Vorreden auf.
„Hör zu, Julie“, begann er, „es ist gleich sechs, und ich werde mich auf den Heimweg machen. Zu Hause wartet ein chinesischer Brief auf mich. Weißt du, was das bedeutet?“
„Vielleicht ein Witz?“ Julie kicherte belustigt in Cliftons Ohr.
„Aber Julie, kannst du denn nicht mal ein bißchen seriös sein?“
„Doch, jetzt!“ sagte sie todernst. „Was, bitte, ist ein chinesischer Brief?“
„Ein Brief, den heute nachmittag ein Chinese durch meinen Briefkastenschlitz geschoben hat. Dicki war Augenzeuge und hat mich, wie sich das für einen angehenden Detektiv gehört, sofort verständigt. Na, was sagst du jetzt, du Antiquitätenverkäuferin?“
Wie immer, wenn das Gespräch auf irgendwelche „Fälle“ kam, schwang in Julies Stimme Beklemmung und auch Mißbehagen mit. So auch jetzt.
„Glaubst du, daß das mit dem gestohlenen Buddha zusammenhängt?“ fragte sie.
„Ich bin überzeugt davon. Und da ich ein sehr phantasiebegabter Mensch bin“, er überhörte ihr leises Räuspern, „hat mich das auf die Idee gebracht, heute abend meine Kathedralenschulden zu bezahlen. Wir gehen zu dritt ins Peking. Bist du einverstanden, Julie?“
„Einverstanden! Ist das Peking gut?“
„Es hat, wie mir Hamilton vorhin am Telefon verriet, die Tafelfreuden seinerzeit bei ihm zubereitet. Und es war ja Dickis Wunsch, das zu essen, was es damals bei Hamilton gab.“
„Fein, ich freue mich. Wann holt ihr mich ab?“
„Damit es für Dicki nicht zu spät wird, schlage ich acht Uhr vor. Und wenn er nicht gerade jede Glasnudel einzeln vertilgt, sollten wir gegen zehn mit dem Essen fertig sein. Wir bringen Dicki dann nach Hause und gehen noch ins James auf eine Flasche Wein. Na, ist das ein Donnerstag?“
„Wer zahlt den Wein?“ wollte Julie wissen.
„Natürlich ich !“
„Dann ist es wirklich ein Donnerstag!“ gab Julie lachend zu. „Ich werde mir das Kalenderblatt einrahmen lassen!“
Plötzlich waren laute Stimmen im Hintergrund, und Julie Young legte ohne ein weiteres Wort auf. Sicher war der vornehme Mister Hollburn mit noch vornehmerer Kundschaft aufgetaucht...
Die Idee mit dem Peking war Perry Clifton gekommen, als ihm Dicki am Telefon sagte, daß er morgen erst um elf in der Schule sein müsse, da die ersten drei Stunden ausfielen. Trotzdem fühlte er sich ein wenig schuldbewußt, wenn er daran dachte, daß Dickis Eltern eventuell nein sagen würden und Dickis Vorfreude getrübt werden könnte. Schließlich war es ja nicht gerade üblich, daß ein Junge in Dickis Alter so spät abends noch zum Essen ausging.
Doch seine
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