Der silberne Buddha
Innenarchitekt mit zwei Dekorateuren bei Sir Ernest. Wenn Sie sich bitte etwas gedulden würden.“
„Aber selbstverständlich... Und vielen Dank.“
Der Uniformierte nickte hoheitsvoll und wandte sich einer eben eingetretenen Lady zu, die zwei Pekinesen an der Leine hatte. (Ob die die Anzeige gelesen und nicht richtig verstanden hatte?)
„Hat der was?“ flüsterte Dicki.
„Er wird immer so sein!“ flüsterte Perry Clifton zurück. „Es ist sein Dienstgesicht und die Bürde seines Amtes.“ Und er deutete auf die herumhängenden Bilder. „Wer ständig von so viel Grimm und Mißmut umgeben ist, wird letztlich ebenso.“
„Ob der denn nie lacht?“ wollte Dicki wissen, der schon immer eine eigenartige Scheu vor tierisch ernst dreinblickenden Leuten hatte.
„Warum sollte er nicht. Er wird sicher über andere Dinge lachen als du und ich, aber lachen tut der auch!“ versicherte Perry Clifton.
Langsam schritten sie auf die angegebene Tür zu. Von jenseits der anderen vier Türen hörten sie es hämmern, sägen, feilen und bohren. Einmal zerbrach mit lautem Krachen und Splittern eine Glasscheibe, und ein Sammelsurium unfeiner Flüche drang in das Foyer. Sie sahen, wie sich die Miene des Livrierten verdüsterte und er mit Riesenschritten auf die entsprechende Tür zuging, sie heftig öffnete und ein lautes: „Aber, aber, ich darf doch bitten!“ in den Raum blies.
Knapp zehn Minuten mußten sie warten, dann öffnete sich die Tür zu Sir Ernest, und heraus traten ein vollbärtiger Mann in dunklem Anzug und zwei jüngere Männer in weißen Mänteln. Alle drei blickten ziemlich geschäftig drein und schienen sich ihrer wichtigen Aufgabe voll bewußt zu sein.
Perry Clifton wartete, bis sie einige Meter weit weg waren, dann klopfte er.
„Herein!“ erklang es sofort.
Sir Ernest Caven glich in Statur, Haltung, Aussehen und Bewegung der Verkörperung des wahren Gentleman. Sein vornehmer, nadelgestreifter Anzug sah aus, als habe ihn der Schneider erst vor einer Stunde geliefert. Das sorgfältig gescheitelte graue Haar, der schmale aristokratische Kopf und die blitzenden Brillengläser vor den klugen Augen — all das vervollständigte diesen Eindruck.
Wer Sir Ernest Caven betrachtete, würde nicht eine Sekunde lang daran denken, daß es auf der Welt so viel Lug und Trug gab.
Beim Eintritt der Besucher erhob er sich und sah ihnen in gemessener Erwartung entgegen.
„Mein Name ist Clifton, und das hier ist mein kleiner Freund Dicki Miller!“ stellte Perry sich und Dicki vor.
Sir Ernest deutete einladend auf die beiden ledergepolsterten Stühle vor seinem Schreibtisch.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz. Was kann ich denn für Sie tun?“
„Es handelt sich um die Ostasienausstellung, Sir“, begann Perry Clifton, und Dicki ergänzte blitzschnell: „Wir haben einen Buddha, Sir!“ Geräuschvoll begann er das Packpapier zu entfernen.
„Vielleicht ist es schon zu spät für die Anmeldung, aber leider hat Dicki den entsprechenden Hinweis erst gestern in der Daily Mail entdeckt.“
„Durch Zufall, Sir!“ rief Dicki, schleuderte das Packpapier hinter seinen Stuhl und stellte den Buddha vor Sir Ernest auf die Schreibtischplatte.
„Da ist er!“
Perry Clifton, der Ernest Caven genau beobachtete, sah, wie der Hartford-Haus-Direktor sichtlich überrascht die Buddha-Statue musterte. Nervös rutschte er auf seinem Sessel hin und her, hielt den Kopf schief, setzte seine Brille zurecht, runzelte die Stirn und drehte den Buddha ein um das andere Mal um seine Achse.
„Erstaunlich, wirklich erstaunlich!“ sagte er und nickte Perry Clifton und Dicki zu.
„Erstaunlich...“
Dicki sah Perry Clifton an, doch der zuckte nur verstohlen mit den Schultern.
„Wahrhaft erstaunlich!“
Es schien, als könne sich Sir Ernest Caven gar nicht vom Anblick des silbernen Buddhas trennen.
Perry räusperte sich leise.
„Glauben Sie, Sir, daß diese Statue für Ihre Ausstellung geeignet ist?“ fragte er. Und Sir Ernest sagte zum vierten Mal: „Erstaunlich“.
„Erstaunlich, Mister...“ Er mußte Perrys Namen vergessen haben. Verlegen und irritiert legte er einen Finger gegen seine Schläfe.
„Clifton!“ half Perry Clifton.
„Natürlich, danke... Bitte entschuldigen Sie, daß ich so verwirrt bin, Mister Clifton. Aber Sie werden meine Verwirrung oder vielleicht besser mein Erstaunen sogleich verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß dieser silberne Buddha einem unserer attraktivsten Ausstellungsstücke wie eine Doublette
Weitere Kostenlose Bücher