Der silberne Buddha
Erinnerung daran ließ ihm das Blut in die Wangen steigen. „Das erste Gespräch mit diesen Leuten war nicht sonderlich erfreulich“, gestand er. „Sie wollten genau wissen, warum ich den Verlust erst heute bekanntgebe und warum die Polizei noch kein Protokoll auf genommen hat.“
„Und, was haben Sie geantwortet?“
„Ich habe gesagt, daß ein berechtigtes Interesse vorläge, das Geschehen vorläufig nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, und daß ein Privatdetektiv bereits an der Aufklärung des Falles arbeite.“
„Mit welcher Versicherung arbeiten Sie, Sir?“
„Mit der, British Global’.“
„Ist man dort recht kleinlich?“
Schulterzucken. „Wir hatten noch keinen Versicherungsfall. Aber letztlich zahlt keine Versicherung gern. Auch Lloyd macht da keine Ausnahme.“
„Als wir uns gestern über das Verschwinden der Statue unterhielten“, sagte Perry Clifton, „haben wir das Thema Versicherung gänzlich vergessen. Wie hoch ist der Buddha versichert?“
„Im Einverständnis mit Mister Wang Yin nur zum Goldwert. Hätte er darauf bestanden, den Buddha zum ideellen Wert zu versichern, hätte ich auf die Hereinnahme in die Ausstellung verzichten müssen. Die Prämie wäre zu hoch geworden.“
„Welchen ideellen Wert hat Mister Yin denn angegeben?“
„Hunderttausend Pfund!“ Diese Zahl auszusprechen bereitete Sir Ernest sichtlich Überwindung. Und unter Stöhnen verriet er: „Es wäre das Ende des Hartford-Hauses, würde Mister Yin Schadenersatz in dieser Höhe verlangen.“ Caven sah seinen Besucher gequält an. „Bitte, Mister Clifton, entlassen Sie mich aus meinem Wort. Erlauben Sie mir, daß ich morgen die Polizei einschalte.“
Perry Clifton nippte zuerst an seiner Tasse.
Sekunden zum Nachdenken.
Natürlich könnte er es sich ganz leicht machen und zu allem ja und amen sagen. Er hatte weder einen Verlust erlitten noch war er geschädigt worden. Aber da war diese verflixte Stimme in ihm, die flüsterte, daß er es sich schuldig sei, diesen Fall aufzuklären, beziehungsweise an dessen Aufklärung mitzuwirken. Und daß es sich hierbei nicht um einen gewöhnlichen Wald- und Wiesendiebstahl handelte, das war für ihn eine ebenso unumstößliche Tatsache wie die, daß der Tower in London stand und nicht in Paris.
Was er brauchte, war noch ein bißchen Zeit.
Langsam setzte er die Tasse ab. Sorgsam wählte er seine Worte: „Ich verstehe Ihre Situation durchaus, Sir Ernest. Auf der anderen Seite besteht natürlich die Gefahr, daß das Auftauchen der Polizei genau das bewirkt, was Sie vermeiden wollen: Aufsehen und Publizität. Ein gefundenes Fressen für die Zeitungen. Lassen Sie sich einen Vorschlag machen. Ich bin auf einer heißen Spur. Morgen suche ich einen Mann namens Penny Nichols auf. Wenn sich meine Vermutungen bestätigen, so wird uns dieser Penny Nichols ein beträchtliches Stück weiterhelfen können.“
„Was ist das für ein Mann? Was hat er mit der Sache zu tun?“ Sir Ernest schien beunruhigt.
„Ich bin fast sicher, daß er nicht nur bei dem Buddha-Diebstahl dabei war, sondern daß er auch derjenige ist, der die chinesische Turteltaube gegen einen Kanarienvogel umgetauscht hat.“
„Ein Schwerverbrecher also!“ schnaufte Caven entsetzt, und Perry Clifton mußte unwillkürlich lächeln.
„Er sieht aus wie ein Mann, dem Sie Ihr ganzes Vermögen anvertrauen würden.“
„Sie kennen ihn?“ fragte Caven ungläubig.
„Ich habe ihn am Tage der Ausstellungseröffnung im Hartford-Haus kennengelernt. Er sah aus wie ein harmloser Besucher und hielt uns einen Vortrag über exotische Vögel. Es hat uns einige Mühe gekostet, seinen Namen ausfindig zu machen. Ich werde ihn morgen aufsuchen und hoffe, daß die Überrumpelung gelingt und er plaudert.“
„Sie glauben, daß dieser Mann hinter dem Diebstahl steckt?“
Perry Clifton schüttelte entschieden den Kopf. „Keineswegs. Er ist sicher nur eine unbedeutende Karte in diesem undurchsichtigen Pokerspiel. Die Trümpfe und Fäden halten ganz andere Leute in der Hand. Die gleichen, die auch Mister Case aus der Stadt vertrieben haben.“
Sir Ernest Caven schlug sich vor die Stirn.
„O Gott ja“, stöhnte er, „Mister Case... Den habe ich schon wieder vergessen. Ich weiß wirklich kaum noch, wo mir der Kopf steht. Wie geht es Case?“
„Er dürfte inzwischen wieder in seiner Londoner Wohnung sein. Auf mein Anraten hin wird er die nächsten Tage nicht zum Dienst kommen. Ich möchte die Drahtzieher in
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