Der silberne Buddha
zehn Minuten. Eine weitere Erfahrung, die Perry Clifton bereits machen konnte, war, daß es sinnlos war, den betreffenden Fahrer zur Eile antreiben zu wollen. Er würde sich daraufhin sofort langsamer bewegen. Dagegen versprach der freundliche Zuruf: „Lassen Sie sich nur Zeit!“ viel mehr Erfolg.
„Lassen Sie sich nur Zeit!“ rief Clifton deshalb in diesem Augenblick freundlich winkend dem Fahrer zu, der gerade seinen Kopf zur Ladentür von Maggie Wilmond, der hiesigen Tyburn-Expreß-Filiale, herausstreckte.
„Komme sofort!“ schrie er und winkte ebenfalls freundlich. Perry wußte, daß er Stanley hieß, Stan genannt wurde und leidenschaftlich Miniaturautos sammelte. Nichts spricht sich so schnell herum wie Namen und Hobbys.
Auf dem Weg zu Johnson & Johnson fuhr Perry Clifton noch eine Schleife über die Gatman Lane, wo sich die Hengrave-Garagen befanden. Hier ließ er seit Jahren den Kundendienst an seinem Wagen durchführen, und hier hatte er auch gestern seinen defekten Reifen zum Flicken abgegeben.
Als er in seinem Büro eintraf, schlug es bereits zehn Uhr, und er fragte sich, wo er so viel Zeit verloren hatte. Er war gerade dabei, seine Post durchzusehen, als das Telefon klingelte. „Irgend jemand wird mir jetzt sagen, daß er es schon zehnmal versucht hat!“ vermutete er. Doch er irrte. Es war Sam Stankey, der Riese unter den Detektiven des Hauses. Als es um seine Einstellung ging, war Perry Clifton der einzige, der dafür war, während die anderen meinten, ein solcher Mammutmann falle doch sofort auf. Es kostete Clifton ziemlich viel Überredungskunst, die anderen vom Gegenteil zu überzeugen. „Gerade seine auffällige Größe“, so argumentierte er, „wird die Diebe glauben machen, daß er nie ein Detektiv sein kann.“ Doch sein logischstes Argument war: „Und sollte man herausfinden, daß er ein Kontrollorgan ist, wird man ihm sicher aus dem Weg gehen und es lieber in einem anderen Haus versuchen. Also hätte er in diesem Fall seine Einstellung auch schon gerechtfertigt!“
„Hallo, Perry“, rief Stankey, „ich habe hier ein verdammtes Problem...“
Er schien sich mit seinem Problem nicht sonderlich wohl zu fühlen.
„Und wie sieht das aus?“
„Es sind zwei Ladys, von denen eine garantiert unschuldig ist. Ich weiß nur nicht, welche.“
„Was ist passiert?“ fragte Clifton.
„Ist ein bißchen kompliziert. Die beiden standen nebeneinander vor einer der offenen Verkaufsvitrinen in der Schmuckabteilung, Da beobachtete Miß Realling, wie eine der beiden einem vorübergehenden Mann, ohne sich dabei umzudrehen, etwas in die Hand drückte. Sie konnte jedoch nicht erkennen, ob es die linke Hand von der rechtsstehenden Frau oder die rechte Hand der linksstehenden Frau war. Und allein das wäre wichtig.“
„Wissen Sie bereits, was entwendet wurde?“
„Miß Realling spricht von einer goldenen Schmuckuhr im Wert von 112 Pfund.“
„Wo befinden sich die Ladys jetzt?“
„Hier nebenan, im Zimmer der Kontrolle.“
„Okay, Sam, kommen Sie mit den beiden hoch!“
„Sofort, Perry, ich beeil’ mich!“ Sam Stankey schien sehr erleichtert.
Es währte wirklich nur knappe fünf Minuten, dann wurde an Cliftons Tür geklopft. Der hünenhafte Sam Stankey schob behutsam die beiden Frauen über die Schwelle, bevor er selbst mit eingezogenem Kopf folgte. Mit seinen zweihundertdrei Zentimetern überragte er sie glatt um zweieinhalb Köpfe. „Guten Morgen, Perry. Das sind die beiden Ladies“, sagte er überflüssigerweise.
Perry Clifton, der vor seinen Schreibtisch zwei Stühle gestellt hatte, deutete darauf. „Bitte, wenn Sie Platz nehmen wollen.“ Dabei musterte er die Frauen und versuchte sich ein Bild von ihnen zu machen. Beide mochten so zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahren alt sein. Die hellblonde, mit einer schwarzen Lederhandtasche und einem Verkaufsbeutel von Johnson & Johnson in der linken Hand, war dezent und geschmackvoll gekleidet. In ihren Augen stand jetzt offene Furcht, während Perry aus dem Augenpaar der schwarzhaarigen Dame wütende Blitze entgegenschossen. Auch sie war alles andere als ärmlich angezogen, eher extravagant und auffällig. An den Fingern trug sie, wie leicht zu zählen war, insgesamt sieben Ringe. Zwei Modeschmuckketten und eine wertvolle Brosche auf der Bluse vervollständigten ihre Aufmachung.
„Ich würde mich niemals in Anwesenheit eines solchen Flegels“, ihr Kopf zuckte zur Seite, wo Sam Stankey vor Verlegenheit das Blut in die
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