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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fühlte sie sich unwohl in ihrer nur von klarem Wasser bedeckten, nackten Haut.
    Sie zählte leise bis zehn – niemand gab sich zu erkennen – und huschte sodann ans Ufer. Dort streifte sie hastig die Kleider über die nasse Haut und eilte zum Lager zurück. Erst beim Zelt von Lytton und Unsworth erlaubte sie sich ein erstes Aufatmen. Wachana saß am Boden und beobachtete die beiden Wissenschaftler dabei, wie sie an zwei Tischen mit Petrischalen und Reagenzgläsern hantierten.
    »Haben Sie sich ein Bad gegönnt?«, begrüßte Unsworth die Besucherin.
    »Wie kommen Sie darauf?« Yeremis Augen verengten sich.
    »Du bist nass«, sagte Wachana und grinste.
    Sie ließ ihre Haare durch die Finger gleiten, und als ihr hierauf das Wasser den Arm hinunterlief, sah sie erschrocken an sich herab. Es stimmte. Ihre Jeans und vor allem ihr weißes T-Shirt waren, so wie sie am Körper klebten, entschieden zu nass. Bestürzt zog sie den Stoff von der Brust weg.
    »Nichts, was wir nicht schon irgendwann gesehen hätten«, sagte Lytton, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    »Eine Expedition ist nichts weiter als eine große Familie aus Brüdern und Schwestern«, sagte Unsworth und grinste noch breiter als Wachana.
    »Wenn Sie denken, ich lasse mein Hemd gleich wieder los, dann muss ich Sie enttäuschen. Gehen Sie zu Dave, der hat vielleicht ein paar Magazine, die Sie entschädigen«, versetzte Yeremi, peinlich darauf bedacht, mindestens zwei Handbreit Luft zwischen Haut und Stoff zu lassen.
    »Wie geht es Ihrem Kopf?« Lytton hatte es vorgezogen, das Thema zu wechseln.
    »Der funktioniert«, erwiderte Yeremi spitz.
    »Ich habe zwar die Wunde gemeint, aber Ihren klaren Verstand werden Sie auch gleich brauchen.«
    »Wie darf ich das nun wieder verstehen?«
    »Da gibt es ein paar Neuigkeiten, die Sie interessieren dürften. Beide betreffen die Blutsenkungen.«
    »Sie meinen die Proben, die Sie mir am letzten Freitag und vorgestern abgenommen haben?«
    »Sowohl die als auch das den Silbernen entnommene Blut.«
    »Aber davon wusste ich ja gar nichts! Sie haben… von den Toten…?«
    »Die Proben stammen hauptsächlich von den Patienten, die wir noch retten wollten. Im Blut aller untersuchten Personen gab es zwei bemerkenswerte Übereinstimmungen. Die erste betrifft die Blutgruppe. Wie schon zuvor bei Saraf Argyr fand ich durchweg die Kombination Null, Rhesusfaktor negativ.«
    »Meine Probe ausgenommen.«
    »Nein, Yeremi, Ihre Probe eingeschlossen.«
    »Oh! Das war mir neu. Ich sehe schon Abby, wie sie mich für ihre Cromagnon-Sammlung um eine Ganzkörperspende anfleht.«
    Lytton verzog keine Miene, sondern fragte streng: »Haben Sie sich nie die Resultate Ihrer Blutuntersuchungen vorlesen lassen? Das ist äußerst nachlässig, meine Liebe! Wenn Sie Kinder bekommen möchten…«
    »Ich habe mich nie dafür interessiert«, schnitt Yeremi ihm kühl das Wort ab, wobei sie nicht näher darauf einging, ob sie die Ergebnisse der Blutsenkungen oder den Nachwuchs meinte. »Worum ging es bei dieser zweiten Sache, die Sie festgestellt haben?«
    »Um die Erreger, denen das Silberne Volk zum Opfer gefallen ist. Wie schon von mir vermutet, handelt es sich um grampositive Streptokokken…«
    »Halt, halt, halt! Ich bin keine Mikrobiologin. Können Sie das bitte für mich übersetzen.«
    »Ja, entschuldigen Sie bitte. Also, wir haben verschiedene Untersuchungen mit den Mikroben durchgeführt, darunter auch den nach dem dänischen Arzt Hans Christian Gram benannten ›Gramfärbetest‹, der uns etwas über die Eigenschaften ihrer Zellwände verrät und somit bei ihrer Kategorisierung hilft. Die eingefärbten Keime wurden lila-schwarz, was sie als grampositiv kenntlich macht. Im Gegensatz zu anaeroben Bakterien, die an der Luft absterben, scheren sich diese kleinen Biester nicht um Sauerstoff, weshalb man sie als aerotolerant bezeichnet. Ich möchte noch einen serologischen Test vornehmen, der mir endgültige Gewissheit verschaffen sollte; aber ohne dem abschließenden Ergebnis vorgreifen zu wollen, tippe ich auf Streptococcus pyogenes… «
    »Mit anderen Worten, es handelt sich um ganz gewöhnliche Bakterien.«
    Lytton legte den Kopf schräg. »Nun, viele Streptokokken sind tatsächlich völlig harmlose, teilweise sogar nützliche Bakterien, aber unseren Kandidaten würde ich auf keinen Fall als ›gewöhnlich‹ bezeichnen. Der Erreger hat viele Gesichter, manche verursachen vergleichsweise harmlose Racheninfektionen, andere Scharlach, es kann

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