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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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modisch.«
    »Was?«
    »Diese bunte Perlenhalskette.« Der Schneider von Georgetown deutete auf den schweren Goldanhänger.
    Sarafs Hand schnellte zu dem Schmuckstück, um sich schützend darüber zu legen.
    »Die steht nicht zur Disposition. Den Rest dürfen Sie umgestalten«, sagte Yeremi.
    »Was haben Sie sich vorgestellt?«
    »Einen leichten Sommeranzug, dazu ein paar Baumwollhosen, Hemden, Unterwäsche, Socken, Schuhe…« Yeremi schob die Unterlippe vor und hob die Schultern. »Was man eben so braucht.«
    Mr Twinankle wollte gerade Luft holen, als Yeremi schnell hinzufügte: »Und eine Sonnenbrille, falls Ihr Haus damit dienen kann.«
    Kurzzeitig geriet der Gleichmut des versnobten Tailors ins Wanken. Sein Geschäft war hervorragend sortiert, aber das… Dann hatte er eine Idee. Er hob die Hand und schnippte mit den Fingern. Wie aus dem Nichts erschien ein ziemlich kleiner, dafür aber um so runderer junger Mann von höchstens achtzehn Jahren. »Shorty, spring schnell zu Mr Apeldoorn. Wir brauchen eine Musterkollektion von Sonnenbrillen für… diesen Herren hier.« Er deutete auf Saraf.
    Shorty hüpfte wie ein Gummiball davon, und der Schneider von Georgetown widmete sich wieder der Begutachtung seines Rohlings.
    »Krawatten?«, fragte er.
    Skeptisch betrachtete Yeremi ihren Begleiter. Dann schüttelte sie den Kopf, zog die Nase kraus und raunte konspirativ: »Er ist das nicht gewohnt, wissen Sie.«
    »Verstehe.« Mr Twinankle konzentrierte sich nun auf die Basis seines Großprojektes. »Wie steht es mit Schuhen?«
    »Etwas Saloppes und ein zweites Paar zum Anzug sollten vorerst reichen.«
    Im Hirn des Schneiders von Georgetown schien eine Vision Gestalt anzunehmen. Seine Augen bekamen einen feuchten Glanz. Er zwinkerte Saraf vertraulich zu und sagte: »Na, dann wollen wir mal sehen, ob wir aus Ihnen nicht einen neuen Menschen machen können.«
     
     
    Das Messer näherte sich langsam Sarafs Hals. Plötzlich schnellte seine Hand vor und packte den Arm des Angreifers. Der Barbier schrie vor Schmerzen auf.
    »Saraf, lass ihn sofort wieder los!«, rief Yeremi entsetzt.
    »Ich habe meine Meinung geändert und behalte meinen Bart«, brummte der Silbermann.
    »Müssen wir das alles wirklich noch einmal durchkauen?«, raunte sie ihm ins Ohr und sah sich zu den Wartenden an der Wand um. Der Barbier sprach zwar nur Englisch, aber wer konnte schon wissen, ob nicht jemand unter seinen obskuren Kunden der verbreitetsten Sprache des Kontinents mächtig war. Bei einem Casting hätten die vier Herren auf den Stühlen wohl auf Anhieb eine Rolle als Geldeintreiber der Mafia bekommen. Vielleicht gab es ja gute Gründe, weshalb sie ausgerechnet dieses Frisörgeschäft aufsuchten, das auch nach Ladenschluss noch Kunden bediente. Die Empfehlung stammte von Mr Twinankle.
    »Und wenn er mir die Kehle durchschneidet?«, fragte Saraf in normaler Lautstärke.
    »Dann bekommt er kein Geld«, rief einer von den Geldeintreibern und lachte.
    Yeremi bedachte den Mann mit einem vernichtenden Blick, bevor sie sich wieder Saraf zuwandte. Wenn sie nicht offen reden konnte, würde sie ihn kaum überzeugen können, ohne gleichzeitig ihre Tarnung zu gefährden. Segelschuhe, eine khakifarbene Baumwollhose und ein Jeanshemd machten aus ihm noch keinen anonymen Großstädter (an die dunkle Ray-Ban-Sonnenbrille würde sie ihn erst noch gewöhnen müssen).
    Sie schob ihr Gesicht ganz nah an seine eingeseifte Wange und flüsterte: »Vertraust du mir?«
    Er blickte sie verwundert an. »Ja!«
    »Wenn du ein so guter Menschenkenner bist, dann beantworte mir eine Frage: Der Mann mit dem Messer – hasst er dich, ist er zornig, oder will er dir irgendetwas stehlen?«
    Saraf drehte sich zu dem Barbier um, der immer noch vorgebeugt dastand, weil sein Handgelenk in einem menschlichen Schraubstock steckte. Sein Gesicht war verzerrt, und der bohrende Blick, dem er nun ausgesetzt wurde, machte die Lage für ihn nicht gerade erträglicher. Der Silbermann wandte sich wieder Yeremi zu. »Zornig ist er nicht, nur furchtsam und ein wenig ungeduldig. Aber du hast Recht: Er will mir etwas nehmen.«
    Yeremi fuhr verwundert hoch, sah erst den Barbier, dann wieder Saraf an: »Was?«
    Der Silbermann grinste. »Meinen Bart.«
     
     
    Le Meridien Pegasus erhob zwar den Anspruch, das vornehmste Hotel am Platz zu sein, aber Yeremi verzichtete gerne auf seinen Luxus. Im Gegensatz zu dem hellblauen runden Bettenturm an der Seawall Road glich die Cara Lodge einem

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