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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ergründen, und wenn es ein ganzes Leben kostete. Deshalb durften sie ihn nicht entkommen lassen – und fingen an zu laufen.
    Saraf sprang hinter der Ecke hervor, packte den Wagen und zog ihn direkt vor den blinden Fleck. Dort kippte er das Gefährt kurzerhand um, sodass sämtliche Quipus wie fadenscheinige Lumpen zu Boden fielen. Nur wenige Sekunden später stand der Wagen wieder dort, wo er von seinen Beschützern verlassen worden war. Als Nächstes lief Saraf in den Lagerraum und kehrte mit seinem Reinigungsmobil zurück.
    »Ich kann alles sehen«, drang Yeremis Stimme leise aus dem Ohrstöpsel. »Mach weiter! Ich bin gleich bei dir.« Saraf wagte nicht zu antworten. Mit seiner Gefühlsspielerei mochte er die drei Männer im Gang abgelenkt haben, sie waren gewissermaßen schwerhörig, aber keinesfalls taub.
    Die Jäger hatten den verlorenen Ball mittlerweile eingeholt und umzingelt. Sie wagten nicht, das fragile Kügelchen anzurühren. Es könnte ja zerbrechen – was für ein unwiederbringlicher Verlust das wäre!
    Saraf stopfte, so schnell und so vorsichtig es ging, die Quipus in die beiden Müllsäcke. An der Brusttasche seines Overalls hing, gehalten von einem Klipp, Yeremis Handy. Wenn sie gerade nichts Besseres zu tun hatte, würde sie seine Arme und die Knotenschnüre sehen können. Noch einmal hörte er kurz ihre flüsternde Stimme: »Weg damit!« Wie war das gemeint?
    Am Ende des Ganges trat die Erforschung der geheimnisvollen roten Kugel derweil in eine neue Phase ein. Unter den drei Männern war eine gewisse Uneinigkeit darüber entstanden, wie die Besitzverhältnisse an dem Schatz zu regeln seien. Sollte man ihn in drei gleiche Stücke zerteilen? Das wäre eine Barbarei! Oder ihn an einem zentralen Ort deponieren und regelmäßige Treffen veranstalten, die ganz im Zeichen der Bewunderung des Kleinods stünden? Diese Möglichkeit schied aufgrund Al Learys enger Terminsituation aus. Man könnte den Ball der Götter auch in der Manier eines Wanderpokals herumreichen. Aber das barg die Gefahr einer Entführung in sich. Diese Wahrscheinlichkeit durfte nicht heruntergespielt werden. Nein, sie war sogar eine ernst zu nehmende Gefahr.
    Unter den Männern brach nun ein lauter Streit aus, den Saraf zur Verpackung der letzten Quipus nutzte. Als die Schlägerei anfing, war alles verstaut, die Plastikbeutel zum Überquellen gefüllt. Langsam zog er sich zur Tür zurück.
    Ein schmaler Mittelstreifen des blitzförmigen Ganges war auf ganzer Länge zu überblicken. Saraf hielt sich so lange wie möglich dicht an der Wand. Zwar blieb er so vor den drei Raufbolden verborgen, aber spätestens jetzt war er wieder einmal im Fernsehen zu sehen, wenn auch nur in dem des campuseigenen Sicherheitsdienstes. Nicht jedes Bild werde beachtet, hatte ihn Yeremi beruhigt. Es sei sogar höchst unwahrscheinlich, in den wenigen Sekunden entdeckt zu werden, die er zum Umladen der Quipus benötige. Danach, auf dem Weg zum Treppenhaus, sei ohnehin nur ein Raumpfleger zu sehen, der seinen Wagen schöbe. Als Yeremi ihren Plan beschrieben hatte, war alles so einfach erschienen. Hoffentlich würde sie Recht behalten.
    Während am anderen Ende des Flures drei Männer über einer geduldig des Siegers harrenden Kugel rauften, erreichte der Hüne im Overall endlich die Feuerschutztür. In diesem Moment drehte sich Al Leary um.
    Was immer nun sein Denken beherrschte – es war stark, machtvoller als die Gier nach dem Ball. Als er den hoch gewachsenen Gebäudereiniger gewahrte und aus einem seiner Müllsäcke farbige Schnüre heraushängen sah, stieß er einen gellenden Schrei aus. Der Bann fiel augenblicklich von ihm ab. Die beiden Posten prügelten sich dagegen immer noch um die rote Kugel, ihnen waren die Quipus gleichgültig.
    »Halt!«, schrie Leary. »Bleiben Sie stehen!«
    Sarafs Hand knallte gegen das schwere Eisenschott. Es flog auf wie eine hölzerne Saloontür.
    Leary wusste, er konnte den Mann am anderen Ende des Ganges nicht mehr einholen, es sei denn… Der Psychologe wirbelte herum und schlug einen der beiden Posten nieder. Der andere sah ihn einen Augenblick erstaunt an, dann warf er sich auf den Gummiball. Leary riss dem an der Grenze des Bewusstseins dümpelnden Verlierer die Dienstwaffe aus dem Halfter, entsicherte sie im Umdrehen und feuerte mehrere Schüsse auf die knapp fünfzig Meter von ihm entfernte Gestalt, die ihr Alugestell gerade durch die Tür bugsierte.
    Saraf zuckte zusammen, als um ihn herum die Projektile

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