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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Gefühle meistens erst im Angesicht des anderen, doch mit gespitzten empathischen »Ohren« konnte er starke Empfindungen wie Angst, Hass, Freude und Liebe aus größerer Entfernung orten. Im Augenblick registrierte er Furcht.
    So, wie die Stimme jedes Menschen charakteristische Merkmale besitzt, erkannte Saraf auch den Klang dieser mühsam gebändigten Panik wieder. Er glitt aus dem Sessel und huschte in einen dunklen Winkel. Als Jäger konnte er sich auf Laub und trockenen Ästen lautlos bewegen, die flauschigen Teppiche in Bellman’s Paradise waren fast eine Beleidigung für seine katzenhaften Instinkte.
    Der Einbrecher näherte sich vom Wintergarten her, also von der hinteren Nordostfront des Hauses. Wo wollte er hin? Was war seine Absicht? Saraf beschloss abzuwarten, den Feind zu beobachten.
    Der Eindringling bewegte sich auf die Diele zu und von dort die Treppe hinauf. Er trug einen seltsamen Apparat auf dem Kopf, der ihn wie einen Dämon aussehen ließ. Saraf kannte das Sausen der Orientierungslosigkeit, das einen Menschen in völliger Dunkelheit erfüllte. Im Bewusstsein des Einbrechers gab es nicht den kleinsten Anklang dieses Gefühls. Das bedeutete, er konnte sich in dem finsteren Haus mindestens ebenso sicher bewegen wie sein lautloser Verfolger.
    Auffallend war zudem die Zielstrebigkeit des Fremden. Er blieb nie lange stehen, schien genau zu wissen, welchen Weg er einschlagen musste. Mit Schrecken erkannte Saraf, wohin es diesen »Dämon« trieb: direkt auf Yeremis Gemächer zu.
    Saraf schlich sich näher heran. Der schwarze Schemen vor ihm fühlte Unbehagen. Er wollte so schnell wie möglich wieder hier fort. Aber zuerst musste er seinen Auftrag erfüllen. Es war nicht Pflichttreue, die ihn trieb, sondern kalte Angst. Er war so auf sein Ziel fixiert, dass er sich nicht einmal umdrehte. Jetzt legte sich seine Hand auf den Türknauf, der ihm Yeremis Zimmerflucht öffnen würde…
    Er hätte es besser nicht tun sollen. Unvermittelt begann es in dem Mann zu brodeln. Die bis dahin leidlich gebändigte Angst erzeugte in seiner Brust einen ungeheuren Druck. Wie ein Vulkan, in dem flüssiges Magma mit unvorstellbarer Gewalt nach oben drängt, fing der massige Körper des Fremden zu zittern an.
    Saraf stand höchstens vier Schritte von dem schwarz gekleideten Fremden entfernt. Äußerlich wirkte der Silbermann ruhig. Er schrieb die letzten Zeilen der Angst im Lebensepilog des Anglers.
    Mit lautem Krachen stürzte Flatstones Scherge zu Boden. Er riss sich das Nachtsichtgerät vom Kopf. Sein Gesicht war hinter einer Schi-Maske verborgen, nur die dunklen Augen starrten angsterfüllt in die Finsternis. Er griff sich an den Hals, versuchte die einengende Ledermontur zu öffnen. Röchelnd rang er nach Atem. Aber es war zu spät. Leblos glitt er zu Boden. Sein krankes, mit mehreren Bypässen geflicktes Herz hatte aufgehört zu schlagen.
    Die Tür flog auf. Yeremi, im seidenen Schlafanzug, starrte auf die Leiche. Sie knipste in ihrem Zimmer das Licht an. »Was…?«
    »Er hat versucht, in dein Schlafgemach einzudringen«, sagte Saraf in einem Ton, der Yeremi schaudern ließ.
    »Hast du ihn…?«
    Der Silbermann schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nicht angefasst. Allerdings konnte ich nicht umhin, ihm die Fratze der Angst zu zeigen. Den Anblick hat er offenbar nicht ertragen.«
    In diesem Moment öffnete sich weiter vorn im Flur eine andere Tür. Carl und Fredrika näherten sich mit schnellen Schritten.
    »Ein Einbrecher? Warum ist die Alarmanlage nicht angesprungen?«, wunderte sich der Herr von Bellman’s Paradise.
    »Vermutlich hat er sie ausgeschaltet, Schatz. Manche Leute können das«, murmelte Fredrika. Ihr starrer Blick war auf den Toten gerichtet.
    »Er ist sehr klein und korpulent«, sagte Yeremi.
    Saraf nickte. »Ich weiß, was du denkst.« Er bückte sich und zog dem Einbrecher die Maske vom Kopf.
    »Der Angler.« Yeremi klang nicht überrascht.
    »Wir müssen die Polizei rufen«, sagte Fredrika.
    Carl nahm sie in den Arm. »Ja, aber vorher müssen wir Saraf…«
    »Pscht!«, machte Yeremi und erinnerte mit ihrer nun schon zur Gewohnheit gewordenen Geste an die unsichtbaren Lauscher. Auch wenn der Angler tot war, konnten sie sich nicht in Sicherheit wiegen. Eher im Gegenteil.
    »Ich kümmere mich um ihn«, sagte Carl und zog Saraf mit sich.
     
     
    Doktor Sibelius wohnte gleich in der Nachbarschaft. Er war noch vor der Polizei da, was sich als angenehme Fügung erwies. Als die Beamten aus Morgan Hill

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