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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Der Zweck heiligt jedes Mittel. Ist das deine ehrliche Meinung?«, fragte Yeremi drohend. »Dann verrate du mir, welche ›Beziehungen‹ du für die richtigen hältst.«
    Sie hoffte, Leary endlich am Boden zu haben. Aber er gab sich noch immer nicht geschlagen. Im Gegenteil, nun ging er zum Angriff über. »Die Frage ist doch wohl eher, wer deine neuen Freunde sind. Du kennst nicht zufällig den neuen Aufenthaltsort des Silbermannes?«
    Yeremis nur auf Willensstärke beruhende Fassade wurde schwer erschüttert. »Hat McFarell dir diesen Floh ins Ohr gesetzt? Der hat auch schon solche Andeutungen gemacht. Das Silberne Volk ist in den Höhlen des Orion jämmerlich zu Grunde gegangen. Schon merkwürdig, wie gering bei dir und deinem Arbeitgeber das Bedauern über diese Tragödie ist. Vielleicht sind die von Stheno hergestellten Bakterien ja doch nicht zufällig oder nur durch Fahrlässigkeit in die Höhlen gelangt.« Sie nickte drei-, vier-, fünfmal. »Ja, das könnte erklären, warum du mich nach einem Überlebenden fragst. Will dein Boss auch noch den letzten Silbernen umbringen?«
    »Du solltest Acht geben, was du sagst«, knurrte Leary. Sein Zeigefinger war wie ein Revolver auf Yeremis Nasenspitze gerichtet. »Deine Anschuldigungen sind völlig aus der Luft gegriffen. Im Übrigen könnte ein Gericht sich fragen, ob du damit nicht von deinen eigenen Untaten ablenken willst.«
    »Was soll das denn jetzt?«
    »Es gibt einen Polizeibericht über einen Toten, der heute in den frühen Morgenstunden aufgefunden wurde. Der Mann war Mexikaner. Du weißt, von wem ich rede.«
    Der Angler! Yeremi nickte. »Es ist also bereits bis zu dir durchgedrungen. Warum nur wundere ich mich nicht darüber? Gib es zu: Ihr habt Bellman’s Paradise verwanzt und vermutlich ebenso unser Strandhaus.«
    »Schon wieder so eine unbewiesene Behauptung! Du bringst dich noch in Teufels Küche, Jerry! Ich will doch nur dein Bestes. Die Polizei durchsucht mit einem richterlichen Beschluss in diesem Moment das Haus deines Großvaters. Der Mexikaner war ein Privatdetektiv, der – vielleicht nicht ganz vorschriftsmäßig – in dem Quipu-Diebstahl ermittelt hat.«
    »Er ist nicht erst seit letztem Freitag hinter mir her.«
    »Das stimmt. Jeff Flatstone hat den Mann beauftragt, weil er Anlass zu der Vermutung hatte, du würdest das Projekt sabotieren.«
    »Das ist Irrsinn! Wovon redest du überhaupt?«
    Leary zog die Aktentasche vom Nachbarstuhl auf seinen Schoß, öffnete sie und entnahm ihr einen großen braunen Umschlag. Aus diesem zog er ein Foto und legte es vor Yeremi auf den Tisch.
    »Kennst du diesen Mann?«
    Sie hatte das Bild schon einmal gesehen, eine Aufnahme von Irma Block, die Saraf Argyr zeigte, kurz nach dem Kampf mit dem schwarzen Jaguar. Neben den weißen Verbänden fiel vor allem seine bunte Perlenkette auf. Yeremi selbst war auch darauf zu sehen. Jetzt lachte sie. »Was soll das, Al? Natürlich weiß ich, wer das ist.«
    »Und wie steht es mit dieser Person hier?« Leary legte auf die erste eine zweite Fotografie. Sie war grobkörniger und etwas unscharf, offenbar mit einem Teleobjektiv aus der Dunkelheit geschossen. Im Hintergrund leuchteten die Lichter einer kleinen Halle. Es war das Flughafengebäude von Monterey. Die beiden Personen im Vordergrund kannte Yeremi nur zu gut: Es handelte sich um Saraf und sie selbst. Sogar im direkten Vergleich mit dem vorhergehenden Bild war der Silbermann kaum wiederzuerkennen – wenn da nicht in seinem Hemdausschnitt die bunte Perlenkette gewesen wäre…
    Yeremi schluckte. Flatstone hatte sie von Anfang an beschatten lassen. Sie blickte verunsichert in Learys Gesicht, der die kleine Vorführung sichtlich genoss. Jetzt präsentierte er ihr ein drittes Foto.
    »Das hier«, sagte er nonchalant, »wurde übrigens von einer Überwachungskamera im Keller des U. C. Berkeley Art Museum aufgenommen. Ich entschuldige mich für die schlechte Qualität. Die Fotografie ist vom letzten Freitagabend.«
    Yeremi glaubte zu Stein erstarren zu müssen. Das Bild zeigte Saraf und sie, beide in Overalls des Reinigungspersonals steckend, die Gesichter unkenntlich, weil von den Schirmmützen verdeckt. Ihre Zunge schien am Gaumen festzukleben. Sie musste erst den letzten, inzwischen kalt gewordenen Schluck Espresso nehmen, bevor sie antworten konnte: »Sollte mir das Foto irgendetwas sagen?«
    »Das wollte ich eigentlich von dir wissen.«
    »Es zeigt zwei Gebäudereiniger. An die Wand würde ich es mir nicht

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