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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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manipulieren, in der Sowjetunion, der DDR…«
    »Und in Hitler-Deutschland. Die Nazis sollen sehr geschickt darin gewesen sein.«
    »Wohl wahr! Sie haben ihre Tiefflugbomber mit schrillen Sirenen ausgerüstet, weil sie genau wussten, welche Panik der vom Himmel niederfahrende Lärm auslösen würde. Durch die Fähigkeit, anderen Menschen ins Herz zu schauen, konnten sie mit den Ängsten ihrer Opfer spielen, im vollen Bewusstsein, sie damit am Ende zu töten.«
    Yeremi zügelte ihren Zorn. Anstatt den Ball aufzufangen, den sie Leary zugeworfen hatte, lamentierte er über die Ängste emotional manipulierter Opfer. Ausgerechnet er! Sie musste direkter werden. »Und trotzdem waren das nur Taschenspielertricks. Im Umfeld unserer Expedition habe ich eine Menge recherchiert. Du wirst es nicht glauben, aber die Nazis haben sogar ein Forschungsprogramm betrieben, das sich mit angewandter Empathie beschäftigte. Irgendein griechischer Name, wie hieß es doch gleich…?«
    Ein kaum merkliches Zucken an Learys rechtem Augenlid verriet Yeremi, dass sie auf dem richtigen Weg war. Seine Zunge bediente sich allerdings einer anderen Sprache als sein Körper. »Da weißt du anscheinend mehr als ich, Jerry. Herzlich willkommen im Club der Psychologen!«
    »Soviel ich weiß«, fuhr Yeremi im Plauderton fort, »haben die Nationalsozialisten zu diesem Zweck in den Dreißigerjahren sogar schon mit bewusstseinsverändernden Drogen experimentiert. Das müsste dir eigentlich bekannt sein, wo du doch selbst im Dschungel nach Telepathin oder einer ähnlichen Substanz gesucht hast.«
    »Mach dich doch nicht lächerlich, Jerry! Da einen Zusammenhang zu sehen ist ziemlich kühn.«
    »Warum bist du plötzlich so erregt?«
    »Weil ich mich nicht gerne in eine Ecke drängen lasse, in der ich nichts verloren habe.« Der Ober lieferte eine Tasse Espresso, was von dem Gast unbeachtet blieb.
    Wie eine warme Welle durchwogte Yeremi ein Gefühl der Befriedigung. Learys Gleichmut hatte zu bröckeln begonnen. Gerne hätte sie an seiner Schulter vorbei zu Saraf hinübergesehen, um sich dessen Anerkennung zu versichern. Stattdessen sagte sie in bewusst beiläufigem Ton: »Ich erinnere mich, dich im Dschungel von Telepathin sprechen gehört zu haben. In Dave Clarkes Gegenwart hast du sogar mindestens einmal den Ausdruck ›Super-Telepathin‹ verwendet. Wie schon erwähnt, musste ich in letzter Zeit viel nachlesen. Die empathische Telepathie war mein Lieblingsthema.« Yeremi zog die Nase kraus. »Wirklich spannend, kann ich dir sagen! Na, jedenfalls bin ich bei dem Hellseher Hanussen genau auf denselben Namen gestoßen: Telepathin. Anfangs habe ich dem kaum eine besondere Bedeutung beigemessen, weil die Substanz aus einer südamerikanischen Lianenart gewonnen wird.«
    Leary zuckte die Achseln. »Na und? Passt das nicht?«
    Yeremi lächelte. »Und ob! In Anbetracht dessen, wohin unsere Reise gehen sollte, passt das sogar sehr genau. Natürlich wollte ich mehr über dieses Telepathin erfahren. Und das habe ich dann auch. Die Pharmakologen nennen den Wirkstoff Harmin. So wird er auch in fast allen Nachschlagewerken bezeichnet. Den Namen ›Telepathin‹ dagegen gebrauchen seriöse Forscher praktisch nie, im Gegensatz zu Esoterikern…«
    »Das ist nicht ganz richtig«, fiel Leary ihr ins Wort. »In alten Quellen taucht dieser Begriff des Öfteren auf.«
    »Du meinst in solchen, die von Erik Jan Hanussen stammen? Er hat den Namen auffallend oft gebraucht.«
    »Aber bestimmt nicht als Einziger.« Eine steile Falte mitten auf Learys Stirn verriet seine Verunsicherung. Kaum jemand konnte sein Gesicht so gut lesen wie Yeremi.
    »Sicher bist du dir da anscheinend nicht«, erwiderte sie ruhig. »Du musst zugeben, es ist schon merkwürdig, dass ausgerechnet ein moderner, ehrgeiziger Psychologe wie du immer wieder von Telepathin anstatt von Harmin spricht. Wie erklärt sich das?«
    Yeremis Augen hielten Learys Blick wie mit Enterhaken fest. Als er schließlich antwortete, klang es wie eine billige Ausrede.
    »Nicht nur du hast dich gründlich auf die Expedition vorbereitet, sondern auch ich. Dabei habe ich mich auch nicht davor gescheut, obskure Quellen zu konsultieren. Schließlich wollten wir ja etwas entdecken, das unsere Kollegen günstigstenfalls den Grenzwissenschaften zurechnen, allzu oft aber als faulen Zauber oder Scharlatanerie abtun. Dabei muss mir der Name ›Telepathin‹ begegnet sein.«
    »Und dich so fasziniert haben, dass er dir ständig über die Lippen

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