Der silberne Sinn
haben, jeden abzuwimmeln, der im nächsten Wahlkampf nicht mindestens tausend Stimmen aktivieren konnte.
»Wenn Sie einen Termin mit der Senatorin hätten…«, leierte Splendour ihren Abwehrzauber herunter.
»Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen? Ich habe keinen! Aber Sie können mir gerne einen geben – gleich jetzt.«
»Ha!« Splendour lachte hämisch auf. »Haben Sie eine Ahnung, wie voll der Kalender von Mrs Tailor ist? Das können Sie sich aus dem Kopf schlagen, Werteste. Wenn Sie einen Termin mit der Senatorin hätten…«
Yeremi legte auf und sah Saraf enttäuscht an. Sie standen vor einem Telefon in der Halle des Mandarin Oriental Hotel, wo sie unter fantasievollen Namen übernachtet hatten – Saraf im achtunddreißigsten und sie selbst im achtundvierzigsten Stock des drittgrößten Gebäudes der Stadt. Offiziell kannte keiner den anderen. Die Zimmer hatte Yeremi bar bezahlt.
»Das fängt ja gut an«, sagte sie.
»Lass dich nicht entmutigen. Du hattest da noch einen Namen erwähnt.«
»Ja. Ken Frielander. Ich habe ihm gestern schon eine E-Mail mit einem Auszug meiner Notizen geschickt.«
»Ist es derselbe Mann, auf den Sandra dich aufmerksam gemacht hat?«
»Eigentlich bin ich vor zwei Tagen schon auf seinen Namen gestoßen, habe ihm aber zunächst keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Er gehört zu den Überlebenden der Schießerei von Port Kaituma. Mein Interesse an ihm ist erst gestern erwacht, als Sandra ihn erwähnte. Sie beschrieb ihn als einen seriösen und sehr gründlich arbeitenden Journalisten. Frielander hatte Leo Ryan 1978 im Auftrag des San Francisco Examiner nach Guyana begleitet. Inzwischen schreibt er für die Los Angeles Times. Er ist zwar nicht so einflussreich wie die Senatorin, aber als Reporter dürfte er ein guter Beobachter sein. Vielleicht können wir seiner Erinnerung die Beweise entlocken, die wir bis heute Mittag brauchen.«
Wenige Minuten später hatte Yeremi den Journalisten am Telefon.
Sie war auf eine längere Überzeugungsarbeit eingestellt, wurde jedoch angenehm überrascht. Sobald sie ihren Namen genannt hatte, besaß sie Frielanders volle Aufmerksamkeit. Das ihm vorab zugesandte Material sei hochinteressant, sagte er, vielleicht etwas spekulativ, aber nichtsdestoweniger sehr explosiv. Nebenbei bemerkt habe er vor Wochen aufmerksam die Berichterstattung über die sensationellen Entdeckungen im Dschungel von Guyana und das tragische Ende des Silbernen Volkes verfolgt und könne sich sogar an Yeremis Telefoninterview bei CNN erinnern. Frielander sprach mit einer besonnenen, freundlichen Stimme, die einem Mann zwischen fünfzig und sechzig gehören musste.
Yeremi schilderte ihr Anliegen kurz: Es gebe, wie er aus ihren Unterlagen bereits ersehen könnte, konkrete Hinweise für ein Engagement des CIA in Jonestown. Außerdem deute einiges auf eine Fortführung der verbotenen MK-Ultra-Experimente bis in die jüngste Zeit hin. Der Schwerpunkt liege bei der Beherrschung der empathischen Telepathie. Zwischen dem Mordanschlag auf Congressman Ryan und seine Begleiter, dem Jonestown-Massaker sowie der Ausrottung des Silbernen Volkes bestehe mit großer Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang.
Frielander reagierte auf diese geballte Ladung von Ungeheuerlichkeiten mit einem lakonischen Kommentar. »Entweder sind Sie verrückt oder einer Story auf der Spur, die einen Pulitzerpreis einheimsen wird.«
»Gehen Sie von Letzterem aus«, antwortete Yeremi.
»Gibt es schon jemanden, der Ihre Geschichte bringt?«
»Nein.«
»Jetzt haben Sie einen.«
»Sie glauben mir?« Yeremi war verblüfft.
»Nun… Sagen wir, ich halte Ihre Überlegungen für alles andere als an den Haaren herbeigezogen. Meinen Mangel an Euphorie müssen Sie mir bitte nachsehen – über Jonestown gibt es einfach zu viele Missverständnisse und Fehlinformationen. Ich müsste erst die Fakten prüfen, aber wenn alles stimmt, was Sie da sagen, dann verspreche ich Ihnen einen Leitartikel, der ein Erdbeben auslösen wird. Sind Sie bereit, die Story der Los Angeles Times exklusiv anzubieten?«
»Das hängt von den Antworten ab, die Sie mir geben.«
»Stellen Sie Ihre Fragen.«
Yeremi wechselte einen hoffnungsvollen Blick mit Saraf und atmete tief durch. »Zuerst möchte ich eines wissen: Ich habe Ihnen gerade eine Geschichte erzählt, die sich eher wie ein Thriller anhört als nach der grauen Wirklichkeit – warum regt sich da bei Ihnen kein Widerspruch?«
»Weil ich am 18. November 1978 am Ort des
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