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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Arme auf, die Wortmeldungen anzeigten, auf die einzugehen aber völlig sinnlos war. Es hätte ohnehin niemand Yeremis Antwort verstehen können. Sie drängte sich verunsichert an Sarafs Seite. Die beiden Leibwächter hatten sich inzwischen von ihrem Schützling gelöst und sahen aus, als erwachten sie gerade aus einem beunruhigenden Traum. Erst jetzt schienen sie Saraf zu erkennen, aber ihre Chance zum unauffälligen Zugriff war verpasst. Eine Entführung vor laufenden Kameras wäre eine schlechte Publicity für ihren Arbeitgeber gewesen.
    Yeremi reckte den Hals, um sich nach Leary umzusehen. Er stand immer noch bei der Tür und bombardierte sie mit Blicken, die alles andere als freundlich waren. Von Professor McFarell fehlte jede Spur. Der kamerascheue Akademiker hatte sich allem Anschein nach aus dem Staub gemacht.
    Es dauerte mindestens fünf Minuten, bis die Pressekonferenz fortgesetzt werden konnte. Yeremi erklärte den Journalisten sodann das Geheimnis der heulenden Bodyguards. Das Klagegeschrei sei nur eine Kostprobe des Silbernen Sinnes gewesen. Kaum jemand glaubte ihr. Die skeptischen Medienvertreter verlangten Beweise. Yeremi schaltete kurz ihr Mikrofon aus, um etwas in Sarafs Ohr zu raunen. Er flüsterte eine Antwort in das ihrige und nickte. Dann wandte sie sich wieder der argwöhnischen Pressemeute zu.
    »Also gut. Saraf Argyr hat sich bereit erklärt, Sie von der Echtheit des Silbernen Sinnes zu überzeugen. Er wird nun Ihre Gefühle ›zum Klingen bringen‹ – genau so hat er sich ausgedrückt.«
    Einige im Raum lächelten abschätzig, andere sahen mit einem Mal beunruhigt aus.
    »Ich sagte Ihnen bereits, die Manipulation menschlicher Gefühle sei eine Waffe mit kaum abschätzbarem Potenzial«, merkte Yeremi an. »Stheno Industries – und wer immer sich hinter diesem Unternehmen verbirgt – scheint sich dieser Macht mit allen Mitteln bemächtigen zu wollen. Nun freue ich mich, Ihnen einen Vertreter dieses Unternehmens vorstellen zu dürfen. Es ist der mittelgroße, aschblonde, gut gekleidete Herr in dem blauen Anzug da neben der Tür. Sein Name lautet Doktor Al Leary. Er ist Psychologe…«
    Weiter kam Yeremi mit ihrer Vorstellung nicht, denn nun brach ein tosendes Gelächter aus. Die versammelte Journalistenschaft war Leary zugewandt und überschüttete ihn mit ihrem Frohsinn. Unzählige Finger zeigten auf ihn. Man hätte glauben können, er trüge ein selten komisches Clownskostüm. Er war der Einzige im Auditorium, der sich von der Heiterkeit nicht anstecken ließ. Die Zornesröte stieg ihm ins Gesicht, und er funkelte in Yeremis Richtung. Allzu lange konnte er der geballten Tollerei nicht widerstehen. Entnervt riss Leary die Tür auf und floh aus dem Raum.
    Yeremi drückte dankbar Sarafs Hand, bevor sie sich wieder – selbst schmunzelnd – den Berichterstattern mit einer einfachen Frage zuwandte. »Was ist an dem Mann so komisch?«
    Schlagartig hörte das Gelächter auf. Sie wurde mit einer Salve verdutzter Blicke eingedeckt.
    »Nun, ich will es Ihnen verraten«, fuhr Yeremi geduldig fort. »Gar nichts! Die Heiterkeit und das unbändige Glücksgefühl, das Sie beim Anblick des soeben geflüchteten Stheno-Mitarbeiters überkam, war Ihnen von Saraf Argyr eingepflanzt worden. Ebenso hatte er zuvor die beiden Bodyguards mit herzerweichendem Mitleid erfüllt. Ich möchte an dieser Stelle betonen, wie wenig Saraf Argyr daran gelegen ist, den Willen anderer Menschen zu manipulieren. Im Gegenteil, er hat kürzlich unter dem Namen Silverman in Pacific Grove, wie sie den dortigen Medienarchiven leicht entnehmen können, einigen sehr deprimierten Menschen neuen Lebensmut vermittelt.
    Aber wie fast jede Arznei bei falscher Dosierung als Gift verwendet werden kann, darf auch der Silberne Sinn Saraf Argyrs nicht in die Hände skrupelloser Geheimdienste, Militärs oder Profitjäger fallen. Deshalb wende ich mich an die Öffentlichkeit: Helfen Sie mir, den Silbermann, Saraf Argyr, vor solcher Ausbeutung zu schützen. Er darf nicht in einem Labor verschwinden, in dem man seine Gabe analysiert, synthetisiert und ihn, sobald er entbehrlich geworden ist, eliminiert. Saraf Argyr hat dasselbe Recht auf Menschenwürde und Unversehrtheit wie jeder andere Erdenbürger. Um ihn zu schützen, müssen wir die letzten Geheimnisse lüften, die das Jonestown-Massaker und den Tod des Silbernen Volkes umgeben. Ja, das gebe ich zu. Ich musste heute mehr Fragen aufwerfen, als ich Ihnen beantworten konnte. Und trotzdem hoffe

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