Der silberne Sinn
Recht…«
»Gar nichts werden Sie ihm vorlesen.« Yeremi ging wie eine um ihr Junges kämpfende Löwenmutter dazwischen. Carl und Sandra nickten heftig. Der Polizist wich erschrocken zurück und nestelte an seiner Dienstwaffe herum.
»Warten Sie einen Moment«, sagte Leary mit erhobener Hand. Officer Bean gehorchte. Der Psychologe zog Yeremi auf die Seite. »Mir liegt nichts daran, den Silbermann einzulochen. Er kann weiter in Freiheit bleiben, wenn du kooperierst.«
»Die Presse wird dich und deinen Boss zerreißen.«
»Ihr beide seid in krimineller Absicht in das Kunstmuseum eingedrungen. Du kennst die Beweise, Jerry. Daran können auch die Medien nichts drehen.«
»Saraf hat sein Leben lang in der Natur gelebt. Ein Gefängnis würde ihn umbringen.«
»Es liegt an dir, das zu verhindern. Sarafs mentale und sensorische Fähigkeiten sollen von einem Wissenschaftlerteam erforscht werden. Mehr will Flatstone nicht.«
»In euren Labors ist er genauso eingesperrt.«
»Deiner kleinen Show heute und der Fürsprache von Professor McFarell verdankst du die Zusicherung Flatstones, dass so etwas nicht passieren wird. Die Tests werden in Berkeley durchgeführt. Saraf bekommt eine Wohnung auf dem Campus, und wenn du willst, darfst du gleich daneben einziehen.«
Yeremi sah zu Saraf hinüber, der ihren schmerzerfüllten Blick erwiderte. Er schien sich mehr Sorgen um sie zu machen als um sich selbst. »Lass mich mit ihm reden«, bat sie den Psychologen.
Leary überlegte zwei oder drei Sekunden lang, dann nickte er. »Eine Minute. Aber erlaubt euch keine Mätzchen, die Ausgänge sind bewacht.« Er gab dem Polizisten einen Wink.
Mit einer unscheinbaren Geste rief Yeremi den Silbermann zu sich heran. Sie zogen sich zu einem der Fenster zurück, wo sie ungestört über den Stand der Dinge reden konnten.
»Ich werde mit ihm gehen«, sagte Saraf, als er alles gehört hatte.
»Aber das ist Wahnsinn! Sie werden dich umbringen«, widersprach Yeremi und brach in Tränen aus.
Saraf wischte mit dem Daumen über eine der feuchten Spuren unter ihren Augen, seine warme Hand lag dabei an ihrer Wange. »Sorge dich nicht um mich. Ich bin zäher, als du denkst, meine kleine Jerry.«
Sie sank an seine Brust und drückte ihn fest an sich. »Ich verfluche diesen Al Leary.«
»Mit solchen Äußerungen spaßt man nicht.«
»Was ist nun?«, rief der Psychologe von der Mitte des Raumes herüber.
Yeremi schoss ihm einen ihrer Laserblicke zu. Dabei sah sie, wie Carl mit jemandem telefonierte. Vermutlich war schon ein Anwalt unterwegs. Saraf würde bald wieder ein freier Mann sein. Sie atmete tief durch, bevor sie fragte: »Wo bringt ihr ihn hin?«
»Zunächst auf die Polizeistation. Dort wird er erkennungsdienstlich behandelt, man stellt ihm ein paar Fragen und fertigt ein Protokoll an. Flatstone wird eine Kaution für ihn hinterlegen, bis sein Fall niedergeschlagen ist. Heute Abend könnt ihr beiden Turteltäubchen auf dem Campus in Berkeley schon wieder miteinander dinieren.«
Yeremi blickte zweifelnd in Sarafs strahlend blaue Augen. Er wirkte völlig unbesorgt. »Gib den Dingen Raum, dann wird sich alles klären«, sagte er und küsste sie auf die Stirn. Ehe er sich von ihr lösen konnte, drückte Yeremi ihn abermals an sich.
»Pass auf dich auf!«
»Das werde ich«, antwortete Saraf. Und dann sagte er etwas Seltsames: »Lebewohl!«
Sie hatte sich nicht früher als nötig von ihm trennen wollen, aber dann kam alles ganz anders. Als Yeremi den beiden Polizeibeamten, Saraf und Leary in den Fahrstuhl folgen wollte, wurde sie plötzlich abgedrängt. Vier Frauen von einer im benachbarten Sonoma-Saal tagenden Tierschützerversammlung stießen sie ungestüm zur Seite, die Türen des Lifts schlossen sich, und Yeremi wie auch Carl und Sandra blieben zurück.
Yeremi wartete nicht erst, bis ein neuer Fahrstuhl anhielt, sondern rannte zur Treppe, die in das untere Stockwerk hinabführte.
Schon auf dem Weg dorthin hörte sie plötzlich lautes Gekreische. Immer wieder rief jemand nach der Polizei. Als sie die Hotelhalle erreichte, bot sich ihr ein bizarres Bild: In der offenen Fahrstuhltür hatten sich die Polizistin, ihr blasser Kollege und Leary ineinander verkeilt. Vor und in dem Lift befanden sich jeweils zwei Tierschützerinnen und schlugen mit ihren Handtaschen, begleitet von lautem Geschrei, auf die in der Unterzahl befindliche Verhaftungstruppe ein. Von Saraf Argyr fehlte jede Spur.
Zunächst glaubte Yeremi, ihn in dem
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