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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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einen Heiratsantrag.
    Das Ereignis auf der anderen Straßenseite sorgte für genau jene Ablenkung, die Saraf sich erhofft hatte. Denn als er nun auch dem Bulldozerfahrer das Gefühl vermittelte, eine spontane Straßenüberquerung zum Zwecke der Brautwerbung sei momentan das Wichtigste in seinem Leben, reagierten die Agenten auf den vorderen Sitzplätzen zu spät. Das Raupenfahrzeug rammte den Van schräg von vorn, und während die Airbags den Aufpassern die Sicht raubten, öffnete Saraf seinen Sicherheitsgurt, bedeutete Yeremi, seinem Beispiel zu folgen, riss die Tür des Wagens auf und zerrte sie ins Freie. Die Agenten hinter den Luftsäcken befanden sich noch in einem Nebelflug der Orientierungslosigkeit, den Saraf ihnen eingegeben hatte.
    »Was hast du getan?«, stieß Yeremi hervor, während sie an Sarafs Hand in die Querstraße rannte, aus der zuvor der Bus gekommen war.
    »Zweien habe ich ein von Liebe überquellendes Herz geschenkt, den beiden in unserem Wagen das Gefühl, endlos durch Wolken zu fallen.«
    »Das ist ja grauenhaft!«
    »Meinst du das Verirrtsein oder die Liebe?«
    Yeremi wurde hart nach rechts gerissen, weil Saraf die Richtung geändert hatte. »Wo willst du überhaupt hin?«, rief sie.
    »Weg von diesen Männern, die es auf dich abgesehen haben.«
    Einige schnelle Schritte lang war Yeremi zu verwirrt, um zu reagieren. Dann beschloss sie, sich zuerst um das Nächstliegende zu kümmern. »Warte!«, stieß sie hervor.
    Saraf blieb augenblicklich stehen und sah sie fragend an.
    »Wir können nicht zu Fuß fliehen. Dann hätten sie uns schnell eingeholt.« Sie trat auf die Straße und riss den Arm hoch. Mit quietschenden Rädern blieb ein Wagen vor ihr stehen. Es war ein Taxi. Der Fahrer spuckte einen Zahnstocher aus, auf dem er eben noch herumgekaut hatte, und begann zu schimpfen. Yeremi zog Saraf zur Hintertür, öffnete sie, drängte ihn einzusteigen und kletterte hinterher.
    »Es ist ein Notfall«, sagte sie zu dem Mann am Steuer. »Bitte bringen Sie uns so schnell es geht nach Brisbane. Ich komme auch für die Rückfahrt auf.«
    Der Fahrer war für einen Augenblick perplex, dann zog er aus einer Pappschachtel in der Mittelkonsole einen neuen Zahnstocher, klemmte ihn sich ins Gebiss und brauste davon.

 
    DAS GEHEIMNIS DER PUTTEN
     
     
     
    Östlich von Morgan Hill (Kalifornien, USA)
    9. Januar 2006
    22.26 Uhr
     
    Sie erreichten Carls Fischerhütte knapp fünf Stunden nach Sonnenuntergang. Die Reise von San Francisco nach Morgan Hill war eine Odyssee gewesen. Mit Taxi, Bus, Bahn, per Anhalter und am Ende zu Fuß hatten sie sich ihrem Versteck genähert – Yeremi wollte es eventuellen Verfolgern so schwer wie möglich machen. Ihr Großvater war glücklich und besorgt zugleich, als das Paar plötzlich vor der Tür stand.
    »Ihr seid ausgebüxt, nicht wahr?«, lautete seine erste Einschätzung der Lage.
    Yeremi trat in das Blockhaus, gefolgt von Saraf, und erschrak. Neben Großmutter Fredrika entdeckte sie einen bulligen Mann von knapp einem Meter achtzig Größe mit gelblich grauen Haaren. Sein faltiges Gesicht war breit und mit Altersflecken übersät, das Kinn rund und die Nasenspitze in zwei kleine Höcker unterteilt. Er musste in Carls Alter sein, hielt sich jedoch aufrecht, und seine wachen blauen Augen verrieten Intelligenz. Als er ihr entgegentrat, erkannte sie ihn. Ihre letzte Begegnung lag schon Jahrzehnte zurück.
    »Das nenne ich eine freudige Überraschung. Ed Edmundson, nicht wahr?« Sie schüttelte seine kräftige Hand.
    »O bitte, sag Onkel Ed zu mir! Schließlich sind wir verwandt, wenn auch nur um viele Ecken«, sagte Ed und grinste über die gesamte Breite seines Gesichts. »Du bist gewachsen, Yeremi. Ziemlich sogar!«
    Fredrika bot den Ankömmlingen ein Nachtmahl an, das Yeremi und Saraf gerne annahmen. Sie erzählten im Wechsel von den Ereignissen der letzten Tage, wobei Yeremi den größeren Anteil am Bericht hatte. Als sie auf das Treffen mit Jackie Tailor zu sprechen kam und der Name Quingley fiel, wurde Ed hellhörig.
    »Meinte die Senatorin etwa Mildred Quingley?«, unterbrach er Yeremi.
    »Ja. Du kennst sie?«
    »Ich bin bei meinen Nachforschungen auf ihren Namen gestoßen. Sie nennt sich jetzt Quenild Morghan. Als ich mit ihr telefonierte, machte sie einen sehr verschlossenen Eindruck. Ich hielt es für aussichtslos, sie zum Reden zu bringen, deshalb habe ich sie auch nie erwähnt.«
    »Die Senatorin meinte, Quingley sei damals zum Auspacken bereit gewesen. Sie

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