Der silberne Sinn
Ihnen mehr etwas vorschreiben, selbst…«
»Der Präsident der mächtigsten Nation dieses Planeten nicht.« Flatstone hatte den Köder gefressen. In seinen Augen funkelte ein geheimnisvolles Feuer. »Die Gabe in Ihnen ist stark geworden, Jerry.«
»Nichts als Menschenkenntnis«, wiegelte sie ab und ging zum Gegenangriff über. »Wie schätzen Sie die Lage in Russland ein?«
Flatstone fühlte sich immer noch im Vorteil, wenngleich dieses Empfinden längst nicht mehr sein eigenes war. Freiheraus sagte er: »Ernst, sehr ernst, Jerry. Das Land versinkt in Anarchie. Schon bald könnte ein Terroranschlag mit einer schmutzigen Bombe große Teile der Bevölkerung einer amerikanischen Großstadt auslöschen. Ich habe Satellitenaufnahmen mehrerer terroristischer Ausbildungslager im Ural gesehen. Wir müssen diese Bedrohung ausschalten, bevor sie uns ausschaltet.«
Yeremi erinnerte sich an die ungewöhnlich hohe Qualität der Fotos, die McFarell ihr vor Antritt der Expedition gezeigt hatte. Mit einem Mal war ihr klar, woher diese Bilder von den Wassarai Mountains stammten: von amerikanischen Spionagesatelliten. »Und dazu wollen Sie einen Krieg anzetteln?«
Flatstone lächelte herablassend. »Sam hat mich schon vor Ihrem Scharfsinn gewarnt.«
Keine Verführungen mehr, keine Kommandos!, mahnte sich Yeremi selbst. »Warum habe ich nur das Gefühl, es geht Ihnen gar nicht um die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten, sondern einzig und allein darum, der Rüstungsindustrie – vor allem Ihren eigenen Unternehmen – Aufträge des Pentagons zuzuschanzen? Ein Krieg mit Russland müsste Ihnen doch sehr gelegen kommen.«
Zum ersten Mal wankte die Selbstherrlichkeit des Stheno-Chefs.
Über sein Gesicht zog ein besorgter Ausdruck, wich aber sogleich wieder der Miene eines Siegers. »Wenn ich auch gerne das Nützliche mit dem Angenehmen verbinde, sollten Sie doch nicht an meinem Patriotismus zweifeln, Jerry. Ich liebe mein Land.«
»Natürlich. Unter dem Banner der Vaterlandsliebe wurde schon mancher Willkür Tür und Tor geöffnet. Ich denke, Ihre Absichten sind klar, Mr Flatstone: Sie suchen empathisch begabte Menschen wie mich und brechen ihren Willen. Damit können Sie uns nach Ihrem Gutdünken kontrollieren. Nun müssen Sie die empathische Telepathie Ihrer Legionäre nur noch nach Bedarf an- oder ausschalten. Und dazu brauchen Sie das im Gedächtnis des Silbernen Volkes gehütete Wissen. Hier hoffen Sie die Droge zu finden, die Ihre Labors bisher nicht herstellen konnten. Selbst wenn es Ihnen gelingt, das von Al so viel beschworene Super-Telepathin zu finden, bleibt da immer noch ein Problem. Vielleicht helfen Sie mir auf die Sprünge. Wie kann eine Hand voll Begabter oder sogar ich allein eine ganze Nation in den Krieg stürzen?«
»Eine fast perfekte Analyse! Im Grunde genommen ist die Antwort ganz einfach…«
»Geben Sie Acht, was Sie sagen, Mr Flatstone!«, unterbrach Madalin seinen Boss.
Der Stheno-Chef blinzelte benommen. »Was?«
Yeremi hielt den Atem an.
»Die Schlampe versucht, Sie zu manipulieren«, sagte der Rumäne.
Flatstone blickte erschrocken in das Gesicht seiner Geisel. Der Bann war gebrochen, sein emotionales Gleichgewicht kippte zur anderen Seite. »Versuchen Sie das nie wieder!«, zischte er Yeremi an und deutete auf seinen gefühlstoten Killer. »Ich habe diesen Mann da engagiert, um Saraf Argyr und Sie in Schach zu halten. Mr Madalin hat den Befehl, Sie zu töten, wenn er glaubt, Sie würden Ihre empathischen Tricks gegen mich einsetzen. Und falls Sie versuchen zu fliehen, wird er das Gleiche tun.«
DIE VERSCHOLLENE STADT
Machu Picchu (Peru)
14. Januar 2006
18.12 Uhr
Es war wie in einem fantastischen Traum.« Die Worte des Forschungsreisenden Hiram Bingham, der Machu Picchu entdeckte, gingen Yeremi unwillkürlich durch den Kopf, als unterhalb des Helikopters das Plateau auftauchte. Selbst in ihrer verzweifelten Situation konnte sie sich nicht dem Zauber dieser so lange verborgenen Stadt hoch über dem grünen Wasserband des Rio Urubamba entziehen, dem sie bisher bei jedem ihrer Besuche erlegen war. Ohne sich dessen bewusst zu sein, umklammerte sie aufgeregt Sarafs Hand.
Al Leary ließ die Maschine über den Ruinen kreisen, um einen Landeplatz zu finden. Er durfte keine Zeit verlieren, denn in wenigen Minuten würde die Sonne untergehen. Als vor knapp einer Stunde der Stheno-Jet in Cuzco gelandet war, stand der Hubschrauber schon startbereit auf dem Flugfeld.
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