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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Wenn Saraf versagte, dann…
    »Wir müssen dort hinauf«, verkündete der Silbermann, nachdem er für einen Moment stehen geblieben war und auch den hechelnden Killer hatte aufholen lassen. Die von Saraf gezeigte Richtung war ein steiniger Abhang, an dem hier und da flaches Buschwerk wucherte. Nur einen Steinwurf weit oberhalb zogen Wolken vorbei.
    »Ist es noch weit?«, fragte Flatstone. Auch seiner Stimme waren die Strapazen anzuhören.
    »Nein«, antwortete Saraf knapp und kletterte weiter.
    Der Aufstieg wurde zur Quälerei. Selbst Yeremi begann in ihrem gelben Parka zu schwitzen – er gehörte zu der Ausrüstung, für die Flatstones expeditionserfahrene Organisation gesorgt hatte. Immer wieder rutschte jemand auf Geröll aus und fing sich erst im letzten Moment. Die tief hängenden Wolken machten die Orientierung selbst mit den Taschenlampen zu einem Verwirrspiel. Einzig Saraf schien genau zu wissen, wo sie waren und wohin er wollte. Nach ungefähr zehn Minuten blieb er plötzlich vor einer zerklüfteten Felswand stehen und drehte sich zu seinen Begleitern um. Der dunkle Berg hinter ihm hob sich kaum noch von dem graphitfarbenen Himmel ab. Sein Gesicht leuchtete im Schein von Flatstones Taschenlampe auf.
    »Was ist? Erzählen Sie mir jetzt nicht, wir hätten uns verlaufen«, fuhr er den Silbernen Mann barsch an.
    Yeremi beobachtete Saraf genau. Ihm war der Druck, der auf ihm lastete, nicht anzusehen. Nur die unruhige Hand an der Perlenkette minderte ihre Zuversicht. Warum tat er das? Wusste er nicht, wie leicht Leary und wohl auch Flatstone seine Körpersprache zu deuten vermochten?
    »Wir sind am Ziel«, erklärte Saraf.
    Die Lichtfinger mehrerer Taschenlampen tasteten zuerst den Fels, dann den steinigen Boden ab. »Und wo ist Ihr Schatz?«, knurrte Flatstone erbost.
    »Sie bekommen ihn zu sehen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Doch zunächst müssen Sie Yeremi Bellman gehen lassen.«
    »Sind Sie toll! Versuchen Sie nur, mich zu zwingen. Madalin würde keinen Moment zögern, Ihre Freundin zu erschießen. Ich brauche nur den kleinen Finger zu rühren, und selbst Ihr Silberner Sinn könnte nichts daran ändern.«
    »Jefferson Flatstone«, antwortete Saraf mit fast schon unnatürlichem Gleichmut, ein wenig Traurigkeit schwang in seiner Stimme. »Ich weiß, Sie werden mich töten, sobald ich Ihnen das Gedächtnis meines Volkes übergebe… Nein! Versuchen Sie nicht, es abzustreiten. Warum also sollte ich mit Ihnen verhandeln?«
    »Vielleicht, weil Sie diese Frau lieben?«, schlug Flatstone vor. In seinen Marderaugen funkelte das von Sarafs goldenem Katzenanhänger reflektierte Licht.
    Der Silbermann hüllte sich in Schweigen, was den Stheno-Chef schließlich nervös machte. Beschwichtigend fügte er hinzu: »Sehen Sie es einmal so, Saraf Argyr: Selbst wenn Sie die heiligen Schriften Ihres Volkes nicht gestohlen und verbrannt hätten, wären sie für meine Mitarbeiter vermutlich trotzdem ein Rätsel geblieben, weil mit dem Tod in den Höhlen des Orion auch die Fähigkeit ausstarb, die Quipus zu entziffern.« Flatstone lächelte weltmännisch. »Nun, ich pflege Fehler nicht zu wiederholen. Weshalb sollte ich Sie also töten, solange ich nicht hundertprozentig sicher sein kann, das Gedächtnis Ihres Volkes zu verstehen? Erfüllen Sie einfach Ihren Teil unserer Abmachung, und ich werde mich an den meinen halten.«
    Alles in Yeremi schrie: Nein! Flatstone log. Selbst wenn er seine Mordpläne hinausschob, dann doch nur, um ein noch tausendfach größeres Töten anzuzetteln. Fassungslos vernahm sie Sarafs Antwort.
    »Also gut, Jefferson Flatstone. Dann zeige ich Ihnen das Gedächtnis. Ihnen allein. Anschließend kehren wir hierher zurück, und Sie treffen eine Entscheidung über den Abtransport.«
    Ein Ausdruck des Triumphes huschte über Flatstones Gesicht. »Das hört sich nach einer umfangreicheren Aktion an. Ich biete Ihnen einen Kompromiss an, und das ist mein letztes Wort: Feraru Madalin geht mit uns – ich würde mir nie anmaßen, Ihrer Gefühlsspielerei allein widerstehen zu können. Aber Leary und Jerry bleiben hier und warten.«
    Saraf holte tief Atem und erwiderte: »So soll es sein.«
    Yeremi schnappte nach Luft. »Aber das kannst du nicht tun!«, rief sie und stürzte auf Saraf zu.
    Er fing sie in seinen Armen auf und drehte sich leicht in der Hüfte, sodass sein Mund von ihrem Kopf verdeckt war. Beruhigend sprach er auf sie ein: »Es ist das Beste für uns, Jerry. Und für deinen Vater. Glaube mir, alles

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