Der silberne Sinn
Heiterkeit erlebte ein neues Hoch. »Er war eigentlich nur als Anschauungsobjekt gedacht, damit Sie erkennen, was Ihnen blüht, sollten Sie sich gegen meinen Vorschlag entscheiden. Aber wenn Sie dieses menschliche Wrack unbedingt haben wollen – meinetwegen. Erfüllen Sie, ohne zu mucken, Ihren Teil unserer Abmachung, und Sie bekommen ihn als Bonus dazu.«
»Sie sind ein Ungeheuer!«, zischte Yeremi.
Sie bemerkte einen kurzen Blickwechsel zwischen McFarell und Flatstone, bevor dieser erwiderte: »Schmeicheleien bringen uns nicht weiter. Ich brauche Ihre Entscheidung, und zwar jetzt!«
Das letzte Wort hatte der Haarlose Eugene auf eine Weise ausgesprochen, die es Yeremi nicht ratsam erscheinen ließ, ihn unnötig zu reizen. Er und sein Mentor schienen unter erheblichem Druck zu stehen. Dennoch verlangten sie eine Entscheidung, die in erster Linie Saraf und nicht Yeremi treffen musste. Fragend sah sie in das bleiche und müde Gesicht ihres Schützlings.
»Ich bin bereit, Sie zu dem Versteck zu führen, Jefferson Flatstone. Unter einer Bedingung«, lenkte Saraf ein.
»Sie sind nicht in der Position, Bedingungen zu stellen«, erwiderte der Stheno-Chef kühl.
Yeremi war überrascht. Etwas mehr Gegenwehr hatte sie von Saraf schon erwartet. Ehe sie jedoch für ihn in die Bresche springen konnte, meldete sich wieder McFarell zu Wort.
»Was verlangen Sie, Saraf Argyr?«
»Wenn ich Sie zum Gedächtnis des Silbernen Volkes führe, sollen Yeremi Bellman und ihr Vater uns begleiten.«
»Würden Sie diesem Vorschlag zustimmen?«, fragte McFarell.
»Nein«, antwortete Saraf freiheraus. »Ich müsste wohl annehmen, meine Geiseln planten einen Fluchtversuch. Aber vielleicht würde ich auch meiner Geheimwaffe vertrauen.« Der Silbermann blickte demonstrativ zu Feraru Madalin hinüber.
McFarell folgte Sarafs Beispiel, um sodann einzuräumen: »Ich schlage Ihnen einen Kompromiss vor: Jerry darf Sie begleiten. Ihren Vater behalten wir als Pfand hier.«
Sarafs Augen richteten sich fragend auf Yeremis verwirrtes Gesicht. »Ich vertraue dir«, war alles, was sie ihm sagen konnte. Zu Flatstone gewandt, verkündete der Silbermann: »Dann soll es so sein.«
Der Stheno-Chef klatschte in seine Hände. »Also doch entschlussfreudig. Das gefällt mir. Nun müssen wir nur noch wissen, wo die Reise hingeht.«
Yeremi wankte zu dem Stuhl neben Saraf. Das alles ging ihr viel zu schnell. Den Vater verlassen, mit einer Mörderbande auf Schatzsuche gehen – sie war völlig benommen.
Saraf verlangte eine Landkarte. Al Leary trat zum Kopfende des Konferenztisches und drückte einen unter der Platte verborgenen Knopf. Im Tisch öffnete sich summend ein rechteckiges Fenster, und von unten hob sich eine dunkle Glasscheibe in den Ausschnitt, der sich damit sogleich wieder schloss. Yeremi konnte bunte Lichter in der transparenten Tafel erkennen. Es handelte sich offenbar um einen druckempfindlichen Bildschirm, denn der Psychologe tippte auf ein grünes Feld, und die blinzelnde Mona Lisa verschwand. Im nächsten Moment leuchtete eine Weltkarte auf dem Wandbildschirm. Ein weiterer Tastendruck senkte ihn ab.
Flatstone deutete auf die Karte und sagte zu Saraf: »Sie brauchen nur den Ort zu berühren, an dem sich der Schatz befindet. Dann bekommen wir eine Vergrößerung des Gebiets zu sehen.«
Saraf erhob sich keuchend. Yeremi sprang auf, um ihn zu stützen. Nachdem sie erst vor dem Bildschirm zum Stehen gekommen waren, brauchte Saraf sich nicht lange zu orientieren. Nach wenigen Sekunden schon bohrte er seinen Zeigefinger in den Westen Südamerikas.
Eine Karte von Peru erschien. Die Atmosphäre im Raum war wie elektrisch geladen. Geradezu ehrfürchtig gingen McFarell, Flatstone und Leary zum Großbildschirm nach vorne. Allein der Gefühlstote blieb am Fahrstuhl stehen.
Saraf musste nur unwesentlich länger suchen, um Cuzco zu finden. Sein Finger schwebte über der alten Inkahauptstadt.
»Ist es dort?«, flüsterte Yeremi aufgeregt.
»Nein, weiter nördlich… Ah! Hier muss es sein.« Saraf tippte auf eine winzige, aus drei kleinen Punkten bestehende Pyramide, das Symbol für eine archäologische Ausgrabungsstätte. »Vilcapampa!«, verkündete er in beschwörendem Ton.
Yeremi ging näher an die Karte heran und schüttelte den Kopf. »Du meinst Vilcabamba! Die letzte Zuflucht der Inka? Das kann nicht stimmen, Saraf. Die Stadt liegt hier, knapp fünfundfünfzig Meilen weiter westlich.« Sie deutete auf eine zweite Pyramide, links von der
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