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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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auf die Sprache des Waldläufers einen Reim machen. Unsworth versuchte es mit Französisch, Yeremi mit Deutsch, Sose beherrschte sogar ein paar Brocken Kreol und Urdu (fast die Hälfte der guyanischen Bevölkerung stammte aus Indien), aber nichts fruchtete. Yeremi holte tief Luft, um ihr Spanisch anzubringen, als Wachana Yaymochi ihr in einer anderen Sprache zuvorkam. Leise und ehrfürchtig richtete er eine Frage an den Fremden.
    Die wachen Augen des Waldläufers leuchteten plötzlich. Er hatte verstanden! Und er antwortete.
    »Das ist Arawakisch«, flüsterte Yeremi beeindruckt. Sie hatte vor Jahren einige arawakische Texte mithilfe eines Wörterbuches übersetzt, war aber weit davon entfernt, die Sprache zu beherrschen.
    Wachana nickte. »Aber er benutzt die alten Worte.«
    »Wie meinst du das?«
    »In Guyana finden Sie noch ungefähr dreißigtausend Menschen, die Arawakisch verstehen«, mischte sich Thomas Sose ein, der sich bedächtig eine Zigarre anzündete. »Saraf Argyr bedient sich jedoch eines sehr alten Dialektes. Das ist es doch, was Sie uns sagen wollten, nicht wahr, Mr Yaymochi?«
    Wachana nickte.
    »Arawakisch – nie davon gehört«, brummte Leary.
    Yeremi schloss kurz die Augen. Ihre Gefühle waren gerade von einem Erdstoß erschüttert worden, dessen Nachbeben noch anhielten. Aber sie wollte sich diese Schwäche nicht anmerken lassen. Als sie die Fassung zurück gewonnen hatte, verzog sie höhnisch den Mund. »Kein Wunder, Al, bei deiner einseitigen Ausbildung. Ist für westlich orientierte Hochschulen allerdings typisch. Alle reden von Latein, aber Arawakisch kennt kaum jemand. Dabei war es in Südamerika vor der Ankunft von Christoph Kolumbus die Lingua franca – viele Indianerstämme haben sich in ihr verständigt.« Sie wandte sich dem Anführer der Wai-Wais zu. »Wachana, du musst bitte für uns übersetzen. Nur, um sicherzugehen, dass wir den Waldmann richtig verstanden haben, frage ihn noch einmal, wer er ist.«
    Mit finsterer Miene schob sich Wachana an Irma Block vorbei und kauerte sich zu Füßen des Verletzten nieder. Langsam und betont akzentuiert übersetzte er Yeremis Frage.
    »Saraf Argyr«, lautete die Antwort.
    »Warum hat er mich festgehalten?«, fragte Yeremi.
    Wachanas dunkle Augen huschten wie zwei scheue Vögel zwischen den Gesichtern seiner Gefährten hin und her, er machte aber keine Anstalten, die Frage zu übersetzen. Yeremi bemerkte verwundert, dass alle sie betreten ansahen.
    »Was ist los? Warum starrt ihr mich an, als wäre ich ein Gespenst?«
    Einige schlugen die Augen nieder, aber niemand antwortete.
    Ungeduldig forderte sie von Wachana: »Übersetze bitte meine Frage!«
    Widerstrebend gehorchte der Indianer. Die Reaktion des Waldläufers überraschte Yeremi. Während er sie ansah, durchlief seinen Körper ein Zucken, das ihr Angst einjagte. Schmerz von einer Intensität, die sie seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte, sprang ihr aus seinen blauen Augen entgegen. Dann beruhigte er sich wieder. Seine Antwort kam leise und stockend.
    Nur mit Mühe konnte Yeremi sich von dem gequälten Blick des Waldläufers losreißen, um den Dolmetscher anzusehen. »Wachana?«
    Der Wai-Wai schaute zu Boden. Er wirkte um Jahre gealtert. Das Sprechen schien ihm unendliche Mühe zu bereiten. »Seine Antwort lautet: Saraf wollte die weiße Frau vor dem schwarzen Jaguar retten.«
    Ein kalter Schauer lief über Yeremis Rücken. Ihre Augen suchten wieder die des Verletzten. »Frage ihn, wie er das meint, Wachana.«
    Zu ihrer Überraschung sprach nun Doktor Lytton. »Er muss Sie für eine andere Frau gehalten haben, Yeremi, eine, deren Leben er zu retten versucht hat.«
    Verständnislos starrte Yeremi den Arzt an. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Der schwarze Jaguar hat sie getötet«, erklärte Irma Block unvermittelt.
    Und Abby fügte hinzu: »Saraf ist ihr nachgegangen. Hat sie gesucht. Aber seine Hilfe kam zu spät.«
    »Er hat sie am Blaufrosch-Hügel begraben«, verkündete Wachana feierlich. »Der Ort liegt ungefähr zwei Tagesmärsche von hier.«
    Dave Clarke fuhr sich mit den Fingern durchs kurz geschnittene Haar und schüttelte den Kopf. »Ich kann dem armen Burschen nicht verübeln, dass er dich festhalten wollte, Yeremi. Er hat geglaubt, alles wiederhole sich und er würde sie ein zweites Mal verlieren.«
    Yeremi war entgeistert. Sie hatte selbst kurz vor ihrem Erwachen vom schwarzen Jaguar geträumt. Aber woher kannten die anderen diese ganzen Details? Aufgeregt stieß sie hervor:

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