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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Sportsfreund? Kommen.«
    Leary behielt den geschäftsmäßigen Ton bei. »Wir betreten gleich die Höhlen des Orion. Kommen.«
    Wieder drang nur Rauschen aus dem Funkgerät.
    »Haben Sie mich verstanden, Basislager? Kommen«, wiederholte Leary.
    Als er diesmal die Sprechtaste losließ, ertönte vielstimmiger Jubel aus dem Lautsprecher. Es hörte sich an, als hätte sich das gesamte Team des Hauptlagers vor dem Mikrofon versammelt. Nach einer Weile erklang wieder Unsworth’ Stimme.
    »Und ob wir Sie verstanden haben, Al! Das muss gefeiert werden. Wenn Sie alle erst wieder gesund im Lager sind, dann brate ich Ihnen ein Nabelschwein á la Norryl. Kommen.«
    Yeremi nahm Al das Walkie-Talkie aus der Hand. »Norryl? Ende.«
    »Ich höre Sie, Yeremi? Gratulation! Kommen.«
    »Danke. Was die Party betrifft – sie findet hier oben statt. Richten Sie sich bitte darauf ein, morgen das Lager abzubrechen. Wenn alles glatt läuft, ziehen Sie spätestens gegen Mittag auf das Dach des Waldes um. Ende.«
    »Wohin? Kommen.«
    »Bitte notieren Sie, Norryl: Unsere derzeitige Position beträgt 1° 35 ’34“ nördlicher Breite und 59° 14’ 42,6“ westlicher Länge. Haben Sie das? Ende.«
    Unsworth wiederholte die geografischen Koordinaten deutlich und fragte hierauf: »Gibt es irgendein Problem bei Ihnen da oben? Kommen.«
    »Warum fragen Sie? Ende.«
    »Sie sagten: ›Wenn alles glatt läuft…‹ Hat das etwas Bestimmtes zu bedeuten? Kommen.«
    Während Yeremi in Saraf Argyrs blaue Augen sah, die jede ihrer Bewegungen verfolgten, drückte sie die Taste. »Nur so eine Redensart. Machen Sie sich keine Sorgen, Norryl. Wir melden uns, wenn wir wieder draußen sind. Grüßen Sie das Team. Ende und aus.«
    Sie gab Leary das Walkie-Talkie zurück und verließ den Kreis der sie umstehenden Personen. Adma war bereits zum westlichen Rand des Felsplateaus vorangegangen und wartete dort geduldig. Jetzt lächelte sie Yeremi und den nachfolgenden Gästen freundlich zu, drehte sich um und verschwand plötzlich im Boden.
    Wenige Schritte später entdeckte Yeremi den Grund für Admas überraschenden Abgang. Die Silberfrau war katzengleich auf einen tiefer liegenden Absatz gesprungen und winkte den Nachfolgenden einladend zu. Yeremi und Leary sprangen kurzerhand hinterher. Die anderen Expeditionsteilnehmer überbrückten die ungefähr anderthalb Meter hohe Stufe kletternd; Vorsprünge, die ihnen Tritt und Halt boten, waren zur Genüge vorhanden. Adma lief nun in nördlicher Richtung einen leicht abschüssigen, schmalen Felsgrat entlang, der vom Überhang des »Daches« beschattet wurde. Wie die Säulen einer gewaltigen Kolonnade ragten rechter Hand Bäume auf. Der Waldboden lag mehr als fünfundzwanzig Meter tiefer.
    Ungefähr die gleiche Distanz legten die Besucher nun in der Waagerechten zurück, bis Adma einen großen Strauch erreichte, der das Ende des Höhenweges zu markieren schien. Vorsichtig drückte sie die biegsamen Äste zur Seite und gab dadurch den Blick auf eine Spalte frei, die gerade breit genug war, um zwei Männer nebeneinander einzulassen.
    Die Öffnung hätte der Schlupfwinkel eines wilden Tieres sein können. Sie war finster, nicht besonders tief und mit einem menschlichen Skelett dekoriert.

 
    DIE HÖHLEN DES ORION
     
     
     
    Wassarai Mountains (Guyana)
    26. Oktober 2005
    12.57 Uhr
     
    Jeremi starrte überrascht auf die fahlen Knochen. Ein zerbrochenes Obsidianmesser lag neben dem Schädel, ein stummes Symbol einsamen Scheiterns.
    »Der Mann wurde vom schwarzen Jaguar getötet«, übersetzte Wachana die Erläuterungen Admas. Ihr Arawakisch klang ebenso fließend wie dasjenige Sarafs. »Wir haben seine Gebeine hierher geschafft, um einen zufälligen Entdecker der Höhlen nachdenklich zu stimmen.«
    »Fein ausgedrückt. So pietätvoll!«, rief Leary, nicht ohne einen gewissen Spott in der Stimme. Der Indianer gab die Äußerung hörbar respektvoller weiter. Er befand sich auf dem schmalen Felsgrat an dritter Position.
    Yeremi verspürte das unbändige Verlangen, Leary von dem Felsen zu stoßen. Wütend drehte sie sich zu ihm um und fauchte: »Du bist hier nicht in deinem Büro in San Francisco, Al. Reiß dich gefälligst zusammen, und verhalte dich so professionell, wie du es von anderen verlangst!«
    »Ein Scherz wird ja wohl noch erlaubt sein…«
    »Spar dir deinen Humor für später auf! Es könnte sämtliche Ergebnisse verfälschen, wenn wir diese Leuten unser Befremden spüren lassen. Ihre Gastfreundschaft würde sie

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