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Der silberne Sinn

Titel: Der silberne Sinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hoch entwickelte Seefahrt und unterhielt, wie man glaubt, sogar einen regelmäßigen Schiffsverkehr nach und von Amerika.«
    »Und über diese Kultur soll Platon geschrieben haben?«
    »Nun, bei ihm heißt das Reich der Seefahrer Atlantis.«

 
    BEDROHLICHE GEFÜHLE
     
     
     
    Wassarai Mountains (Guyana)
    28. Oktober 2005
    18.08 Uhr
     
    Nachdem Al Learys Erfolgsmeldung via Satellit in Kalifornien Wind gemacht hatte, rauschte bald ein Sturm durch den nordamerikanischen Blätterwald. Die Zeitungen übertrumpften sich gegenseitig mit sensationellen Schlagzeilen. »Kolumbus war nicht der Erste«, titelte, vergleichsweise unaufdringlich, die New York Times. Von USA Today erfuhr der Leser: »Die Weißen Götter sind zurückgekehrt.« Und CNN hätte am liebsten ein Kamerateam über den Wassarai-Bergen abgeworfen, musste sich aber mit einem Live-Interview begnügen. Die Schaltung in den Regenwald gelang am Abend des dritten Tages nach der Entdeckung der Höhlen des Orion. Doktor Leary gab stellvertretend für seinen Geldgeber Jefferson H. Flatstone eine neue Atlantis-Theorie zum Besten, und Yeremi dementierte später im Namen der Universität von Kalifornien das meiste davon.
    »Wenn das Silberne Volk von den Phöniziern abstammt, warum dann der andere Name?«, fragte die CNN-Reporterin am Satellitentelefon.
    Yeremi stand auf dem Felsplateau, von wo aus die Kommunikation mit dem Erdtrabanten am besten funktionierte, und verdrehte die Augen. Wie sie solche Fragen hasste! Um sich zur Geduld zu mahnen, stellte sie sich einen Hörsaal voller pickeliger Erstsemester vor und antwortete in gespielter Heiterkeit: »Gute Frage, Tracy! Der Name ist vermutlich erst auf dem amerikanischen Kontinent entstanden. Weil ihre hellen Körper im Mondlicht silbern leuchten, nannten die Indianer sie anfangs die Silbernen, später wurde daraus das Silberne Volk. Es gab offenbar enge Kontakte zwischen den Ureinwohnern und den fremden Entdeckern, welcher Natur, können wir derzeit noch nicht sagen, genauso wenig, wie feststeht, ob die Silbernen tatsächlich mit den Phöniziern verwandt sind.« Yeremi spulte einfach ab, was Saraf Argyr erst kurz zuvor erzählt oder vielmehr nicht ausdrücklich bestritten hatte.
    »Dann sagen Sie also, das Silberne Volk könne sich nicht mehr an seine phönizischen Wurzeln erinnern?«
    Am liebsten hätte Yeremi das Satellitentelefon in den Dschungel hinabgeworfen. Stattdessen erwiderte sie ruhig, nun aber unüber-hörbar belehrend: »Selbst wenn sie ›Phönizier‹ heißen würden, verriete das noch lange nicht ihre Herkunft, die wir zu erforschen suchen. Die so genannten Phönizier waren eine Nation aus Seefahrern, die eifrig Kolonien gründete. Ihre Nachbarn gaben ihnen Namen wie Phöniker, Sidonier, Kanaanäer, Punier, Karthager und noch einige mehr. Ihr Ursprungsort ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Es heißt, die Phönizier seien hellhäutig, blond und blauäugig gewesen, und das sind auch die Angehörigen des Silbernen Volkes ausnahmslos. Übrigens war auch die Tochter von Pharao Cheops, Ehefrau des Pharao Chephren, blond und blauäugig, wie auf den Wandgemälden in ihrer Grabkammer am Fuß der großen Pyramiden von Giseh zu sehen ist. Die Ägypter hatten einen speziellen Namen für Menschen von hohem Wuchs mit blondem Haar, die blauäugig sowie langschädlig waren. Sie nannten sie tamehu.«
    »Dann müssten wir Ihre Entdeckung also nicht Phönizier, sondern Tamehu nennen?«
    Yeremi biss die Zähne zusammen, schloss die Augen und stampfte mehrmals mit dem Fuß auf.
    »Hallo? Professor Bellman, sind Sie noch dran?«
    »Ja, Tracy, es war nur… eine kleine Störung.«
    »Sicher werden Sie uns in den nächsten Tagen weitere aufregende Neuigkeiten über die letzten noch lebenden Nachfahren der Phönizier verraten können…«
    Der Abgesang der CNN-Reporterin war erfreulich kurz. Als Yeremi endlich die Unterbrechungstaste am Telefon gedrückt hatte, stieß sie einen schrillen Schrei aus.
    »Geht es dir gut?«, fragte Al Leary. Er wirkte enttäuscht. Vermutlich hatte er gehofft, dem CNN-Publikum noch einmal seine Stimme in Erinnerung rufen zu können.
    »Nein, geht es nicht. Wenn du das nächste Mal eine Live-Schaltung mit dem Fernsehen oder einem Rundfunksender vereinbarst, dann gib mir gefälligst rechtzeitig Bescheid.«
    »Wieso denn das?«
    »Damit ich mir ein paar gruselige Märchen über die Phönizier ausdenken kann.«
    Wütend stapfte Yeremi davon. Sie lief zu der Felsenstiege, die zum neu

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