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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Freund.« Er schüttelt den Kopf. »Mann, du kannst die Leute nicht zwingen, dich zu lieben.«
    Neben uns sitzt ein Ehepaar, Eheringe und graues Haar; die beiden essen mit gesenktem Kopf, ohne au f zusehen, und lesen im Programmheft irgendeines Theaterstücks oder Konzerts. Sobald die Frau ihren Wein ausgetrunken hat, greift sie nach der Flasche und schenkt sich nach. Ihm nicht. Der Mann trägt eine dicke goldene Armbanduhr.
    Denny bemerkt, wie ich das alte Paar beobachte, und sagt: »Ich warne die beiden. Das schwör ich dir.«
    Er sieht sich nach Kellnern um, die uns kennen kön n ten. Er schiebt die unteren Schneidezähne vor und starrt mich böse an.
    Der Steakklumpen ist so groß, dass ich die Kinnlade nicht schließen kann.
    Meine Backen blähen sich auf. Meine Lippen pressen sich zusammen, und während ich zu kauen versuche, muss ich durch die Nase a t men.
    Kellner in schwarzen Jacketts, jeder ein akkurat gefa l tetes Tüchlein überm Arm. Geigenmusik. Silberbesteck und Porzellan. In solchen Restaurants tun wir das normalerweise nicht, aber langsam gehen uns die Möglichkeiten aus. Es gibt in einer Stadt immer nur eine begrenzte Zahl von Lokalen, und eine solche Nummer zieht man garantiert kein zweites Mal im se l ben Laden ab.
    Ich nehme einen kleinen Schluck Wein.
    An einem anderen Tisch in der Nähe sitzt ein junges Pärchen, das sich beim Essen an den Händen hält.
    Vielleicht sind es heute Abend die beiden.
    An einem anderen Tisch sitzt ein Mann im Anzug und starrt ins Leere.
    Vielleicht wird er der Held des Abends.
    Ich trinke etwas Wein und versuche zu schlucken, aber das Fleischstück ist einfach zu groß. Es steckt mir in der Kehle fest. Ich bekomme keine Luft.
    Im nächsten Augenblick schlagen meine Beine so he f tig aus, dass der Stuhl unter mir wegkippt. Meine Hände fliegen mir an den Hals. Ich bin aufgesprungen und starre mit verdrehten Augen und weit vorgerec k tem Kinn an die bemalte Decke.
    Denny langt mit seiner Gabel über den Tisch, klaut meine Broccoli und sagt: »Mann, du übertreibst mal wieder maßlos.«
    Vielleicht ist es diesmal der achtzehnjährige Hilfskel l ner oder der Typ da in Kordhose und Rollkragenpulli. Einer der Anwesenden hier wird mich jedenfalls für den Rest seines Lebens gern haben.
    Schon sind ein paar Leute halb von den Sitzen.
    Vielleicht die Frau mit dem Sträußchen am Handg e lenk.
    Vielleicht der Mann mit dem langen Hals und der Drahtbrille.
    Diesen Monat habe ich schon drei Geburtstagskarten bekommen, und es ist noch nicht mal der fünfzehnte. Vorigen Monat waren es vier. Und den Monat davor waren es sechs. An die meisten dieser Leute habe ich keine Erinnerung. Gott segne sie. Aber sie vergessen mich niemals.
    Vor Atemnot schwellen mir die Halsadern. Mein G e sicht wird rot, wird heiß. Schweißperlen treten mir auf die Stirn. Schweiß läuft mir über den Rücken, durc h nässt mein Hemd. Mit den Händen halte ich meinen Hals umklammert, internationale Zeichensprache für Ersticken. Noch heute bekomme ich Geburtstagska r ten von Leuten, die kein Englisch sprechen.
    In den ersten Sekunden wartet jeder, ob nicht irgen d ein anderer zum Helden werden will.
    Denny greift über den Tisch und nimmt sich den Rest meines Steaks.
    Die Hände immer noch fest um den Hals gekrallt, taumle ich rüber und gebe ihm einen Tritt ans Schie n bein.
    Ich zerre an meiner Krawatte.
    Ich reiße mir den Kragen auf.
    Und Denny sagt: »He, Mann, das hat wehgetan.«
    Der Hilfskellner hält sich zurück. Kein Held.
    Der Geiger und der Weinkellner streben Kopf an Kopf auf mich zu.
    Aus einer anderen Richtung drängt sich eine Frau im kleinen Schwarzen durch die Menge. Kommt mir zu Hilfe.
    Aus einer anderen Richtung stürmt ein Mann herbei und wirft im Laufen die Smokingjacke ab. Irgendwo kreischt eine Frau.
    Das dauert nie sehr lange. Die ganze Aktion läuft höchstens ein bis zwei Minuten. Das ist auch gut so, viel länger kann ich nämlich mit voll gestopftem Mund auch nicht die Luft anhalten.
    Am besten wäre der ältere Herr mit der dicken gold e nen Armbanduhr; der würde zur Feier des Tages b e stimmt unsere Rechnung übernehmen. Meine persönl i che Lieblingskandidatin wäre allerdings die Frau im kleinen Schwarzen, wenn auch nur aus dem Grund, dass sie einen so schönen Busen hat.
    Falls wir doch selbst bezahlen müssen – na ja, wer Geld machen will, muss wohl auch mal was investi e ren.
    Denny schaufelt sich das Essen rein und sagt: »Reic h lich infantil, was du da

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