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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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sofort Alarm aus.
    Wir sind hier im St. Anthony ’ s. Der Teppichboden, die Vorhänge, die Betten, so ziemlich alles hier ist feue r fest. Fleckenabweisend. Egal, was man hier von sich gibt, die Angestellten können es aufwischen. Man nennt dieses Haus ein Pflegezentrum. Ich erzähle nicht gern davon. Weil ich dir die Überraschung nicht ve r derben will. Du wirst das alles noch früh genug selber sehen. Jedenfalls wenn du zu lange lebst.
    Oder wenn du aufgibst und vorzeitig verrückt wirst.
    Meine Mutter, Eva, und auch du – am Ende bekommt jeder so ein Armband.
    Nicht dass das Haus verwahrlost wäre. Kein Uring e stank schlägt einem entgegen, wenn man das Gebä u de betritt. Ausgeschlossen, bei dreitausend Dollar im Monat. Vor hundert Jahren war das ein Kloster. Die Nonnen damals haben einen schönen Rosengarten angelegt, schön und mit einer hohen, absolut au s bruchsicheren Mauer umgeben.
    Videokameras belauern einen aus allen Winkeln.
    Sobald ein Besucher durch den Eingang tritt, geht eine unheimliche Bewegung durch die Insassen: Alle Rol l stühle, all die Leute mit Gehwägelchen und Stöcken krauchen langsam auf den Besucher zu.
    Die große, aufsässige Mrs. Novak ist eine Auszieherin.
    Die Frau im Zimmer neben meiner Mutter ist ein Eic h hörnchen.
    Auszieher sind Leute, die sich bei jeder Gelegenheit die Kleider vom Leib reißen. Sie werden von den Schwestern in Sachen gesteckt, die wie Hemd und Hose aussehen, tatsächlich aber Overalls sind. Das Hemd ist in den Bund der Hose eingenäht. Hemdknö p fe und Hosenschlitz sind bloß aufgesetzt. Öffnen und schließen lässt sich dieses Kleidungsstück nur mit e i nem am Rücken angebrachten Reißverschluss. Da die alten Leute hier sich ohnehin nur schlecht bewegen können, sind die Auszieher unter ihnen, auch die so genannten aggressiven Auszieher, gleich dreifach g e fangen. In ihren Kleidern, in ihrem Armband, in ihrem Pflegezentrum.
    Eichhörnchen sind Leute, die ihr Essen zwar kauen, dann aber nicht mehr weiterwissen. Sie vergessen das Schlucken. Stattdessen spucken sie die gekauten Bi s sen in ihre Kleidertaschen. Oder in die Handtasche. Das ist längst nicht so putzig, wie es sich anhört.
    Mrs. Novak ist Mutters Zimmergenossin. Das Eic h hörnchen ist Eva.
    Im Erdgeschoss des St. Anthony ’ s sind Leute unterg e bracht, die sich keine Namen merken können, die nackt herumlaufen und sich gekautes Essen in die T a schen stecken, im Übrigen aber noch halbwegs in Ordnung sind. Es gibt hier auch ein paar junge Leute, die von Drogen oder schweren Schädelverletzungen verblödet sind. Sie reden die ganze Zeit, aber es kommt nur Wortsalat aus ihnen raus, ein unablässiger Strom von Wörtern, die offenbar keinen Zusamme n hang haben.
    »Feige Leute Straße klein Dämmerung singen Seil lila Schleier weg.« So hört sich das an.
    In der zweiten Etage sind die Bettlägerigen. In die dritte Etage kommt man zum Sterben.
    Meine Mutter ist fürs Erste im Erdgeschoss, aber dort bleibt niemand für immer.
    Wie Eva hier gelandet ist? Nun, es gibt Leute, die ihre alten Eltern einfach irgendwo in der Öffentlichkeit st e hen lassen, natürlich ohne Ausweispapiere. Alte Dorothys oder Er n as, die keine Ahnung haben, wer und wo sie sind. Die Leute denken, irgendwer von der Stadt oder so wird sie schon aufsammeln. Mit dem Müll wird ’ s ja auch nicht anders gemacht.
    So wird ’ s ja auch gemacht, wenn man sein altes Auto irgendwo abstellt und Kennzeichen und Fahrgestel l nummer entfernt. Dann muss die Stadt es abschle p pen lassen.
    Ohne Quatsch, so was kommt gar nicht so selten vor, und auch das St. Anthony ’ s muss eine bestimmte Zahl ausgesetzter Omas und von Ecstasy um den Verstand gebrachter Straßenmädchen und selbstmordgefährd e ter Pennerinnen aufnehmen. Nur nennt man die hier nicht Pennerinnen, und die Straßenmädchen nicht Prostituierte. Ich nehme an, irgendwer hat einfach irgendwo den Wagen angehalten, Eva aus der Tür g e schoben und ihr keine Träne nachgeweint. So m a chen ’ s die Leute ja auch mit Haustieren, die sie nicht stubenrein kriegen.
    Mit Eva im Schlepptau komme ich zum Zimmer meiner Mutter. Sie ist nicht da. Ihr Bett ist leer, in der Matra t ze eine große, von Urin durchnässte Kuhle. Duschzeit, nehme ich an. Eine Schwester führt einen dann durch den Korridor in einen großen gekachelten Raum, wo sie einen mit einem Schlauch abspritzen kann.
    Hier im St. Anthony ’ s zeigen sie jeden Freitagabend Frühstück im Pyjama, und jeden

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