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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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»Fred Hastings war hier. Du erinnerst dich doch an Fred, oder?«
    Ja, ich erinnere mich.
    Er ist jetzt verheiratet und hat zwei prächtige Kinder. Es freut mich ja so sehr, sagt meine Mutter, dass ein so guter Mensch es im Leben zu etwas bringen kann.
    »Ich habe ihm geraten, Land zu kaufen«, sagt meine Mutter. »Aber das stellen die ja nicht mehr her.«
    Ich frage, wen sie mit »die« meint, und sie klingelt noch einmal nach der Schwester.
    Auf dem Flur treffe ich Dr. Marshall. Sie wartet vor der Tür meiner Mutter, blättert in den Notizen auf ihrem Klemmbrett und sieht dann zu mir auf, die Augen rund und glänzend hinter der dicken Brille. In einer Hand hat sie einen Kugelschreiber, mit dem sie nervös he r umklackert.
    »Mr. Mancini?«, sagt sie. Sie klappt die Brille zusa m men, steckt sie in die Brusttasche ihres Laborkittels und sagt: »Wir müssen dringend über Ihre Mutter r e den.«
    Der Magenschlauch.
    »Sie haben nach anderen Möglichkeiten gefragt«, sagt sie.
    Vor dem Schwesternzimmer am Ende des Korridors stehen drei Angestellte und beobachten uns; sie st e cken die Köpfe zusammen. Eine davon, sie heißt Dina, ruft: »Braucht ihr zwei eine Anstandsdame?«
    Und Dr. Marshall sagt: »Kümmern Sie sich bitte um Ihre eigenen Angelegenheiten.«
    Mir flüstert sie zu: »Bei diesen kleinen Operationen stellen sich die Mitarbeiter an, als ob sie noch auf der High-School wären.«
    Dina, die hatte ich schon.
    Siehe auch: Cl a re, staatlich geprüfte Krankenschwe s ter.
    Siehe auch: Pearl, Schwesternhelferin.
    Das Zauberhafte am Sex ist, dass man ihn erwirbt, ohne sich Besitz aufzuladen. Egal, wie viele Frauen man nach Hause abschleppt, es gibt nie ein Lage r problem.
    Zu Dr. Marshall, zu ihren Ohren und ihren nervösen Händen, sage ich: »Ich möchte nicht, dass sie zwangsernährt wird.«
    Die Schwestern beobachten uns immer noch. Dr. Marshall legt mir eine Hand auf den Arm und führt mich weiter weg. Sie sagt: »Ich habe mit Ihrer Mutter gesprochen. Eine großartige Frau. Ihre politischen A k tivitäten. Die vielen Demonstrationen. Sie müssen sie sehr gern haben.«
    Und ich sage: »Na ja, so weit würde ich nicht gehen.«
    Wir bleiben stehen, und Dr. Marshall flüstert so leise, dass ich näher herantreten muss. Zu nahe. Die Schwestern beobachten uns immer noch. Sie haucht mir ihren Atem an die Brust und sagt: »Was, wenn wir Ihre Mutter geistig vollkommen wiederherstellen kön n ten?« Mit dem Kugelschreiber klappernd, sagt sie: »Was, wenn wir sie wieder so intelligent, stark und vital machen könnten, wie sie früher war?«
    Meine Mutter, wie sie früher war.
    »Es wäre gut möglich«, sagt Dr. Marshall.
    Und ohne daran zu denken, wie sich das anhört, sage ich: »Gott behüte.«
    Und füge hastig hinzu, das sei wahrscheinlich keine so großartige Idee.
    Und hinten im Flur stehen die Schwestern und lachen mit den Händen vorm Mund. Und selbst aus dieser Entfernung kann man verstehen, was Dina sagt: »Das würde ihm nur recht geschehen.«
    Beim nächsten Besuch bin ich immer noch Fred Ha s tings, und meine Kinder bringen glatte Einsen aus der Schule nach Hause. In dieser Woche streicht Mrs. Ha s tings unser Esszimmer grün.
    »Blau«, sagt meine Mutter, »ist besser für einen Raum, in dem man Essen serviert.«
    Danach ist das Esszimmer blau. Wir leben in der East Pine Street. Wir sind katholisch. Unser Sparkonto h a ben wir bei der City First Federal Bank. Wir fahren einen Chrysler.
    Alles auf Anraten meiner Mutter.
    In der Woche darauf fange ich an, mir die Einzelheiten zu notieren, damit ich nicht vergesse, als wer ich j e weils aufzutreten habe. Die Hastings verbringen uns e re Ferien immer am Robson Lake, schreibe ich. Wir angeln Lachse. Unsere Lieblingsmannschaft sind die Packers. Wir essen keine Austern. Wir haben Land gekauft. Jeden Samstag setze ich mich als Erstes in den Tagesraum und studiere meine Notizen, während eine Schwester nachsieht, ob meine Mutter schon wach ist.
    Wenn ich dann in ihr Zimmer trete und mich als Fred Hastings vorstelle, greift sie jedes Mal zur Fernbedi e nung und macht die Glotze aus.
    Buchsbaumhecken ums Haus sind nicht schlecht, sagt sie, aber Liguster wäre besser.
    Und ich schreibe mir das auf.
    Die besten Leute trinken Scotch, sagt sie. Die Dac h rinne muss man im Oktober säubern, dann noch ei n mal im November, sagt sie. Damit der Luftfilter im Auto länger hält, muss man ihn mit Toilettenpapier umwickeln. Immergrün sollte man immer nur nach dem ersten Frost

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