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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Radio wurde ein neuer Stau gemeldet; auf der Mitte l spur der Autobahn sei ein Wagen liegen geblieben und blockiere den Verkehr.
    Das also heiße es, berühmt zu sein, glaubte der du m me kleine Junge, wenn die Leute hupten und durch die Fenster zu ihnen reinsahen und wenn ihr Auto im R a dio genannt wurde. Bis die Mutter von der Huperei geweckt wurde, saß der Junge nur da und winkte. Er dachte an den fetten Tarzan mit dem Affen und den Kastanien. Dass der Mann da immer noch lächeln konnte. Dass Demütigung nur Demütigung ist, wenn man selber leiden will.
    Der kleine Junge lächelte all den Gesichtern zu, die wütend zu ihm reinstarrten.
    Er warf ihnen Kusshände zu.
    Ein Lastwagen hupte, und die Mutter fuhr aus dem Schlaf. Dann wieder träge, schob sie sich eine Minute lang die Haare aus dem Gesicht. Sie steckte sich ein weißes Plastikröhrchen in ein Nasenloch und atmete ein. Wieder verging eine Minute, dann zog sie das Röhrchen heraus und blinzelte erst den kleinen Jungen neben sich auf dem Beifahrersitz an, dann die neuen roten Warnlämpchen.
    Das Röhrchen war schmaler als ihr Lippenstift und hatte an einem Ende ein Loch, aus dem man irgendein stinkendes Zeug schnüffeln konnte, das da drinnen war. Wenn sie an dem Röhrchen gerochen hatte, kle b te jedes Mal Blut daran.
    »Bist du jetzt eigentlich«, sagte sie, »in der ersten Klasse? Oder in der zweiten?«
    In der fünften, sagte der Junge.
    »Und in dieser Phase wiegt dein Gehirn wie viel? Drei Pfund? Vier?«
    In der Schule bekam er immer nur Einser.
    »Und wie alt bist du dann?«, sagte sie. »Sieben?«
    Neun.
    »Also, Einstein, was deine Pflegeeltern dir erzählt h a ben«, sagte die Mutter, »das kannst du alles verge s sen.«
    Sie sagte: »Diese Pflegefamilien haben keine Ahnung, was wirklich wichtig ist.«
    Direkt über ihnen schwebte ein Hubschrauber, und der Junge lehnte sich zurück und beobachtete ihn durch den blauen Streifen am oberen Rand der Windschut z scheibe.
    Das Radio meldete einen goldfarbenen Plymouth Du s ter, der den Verkehr auf der Mittelspur der Umg e hungsautobahn blockiere. Anscheinend sei der Motor heißgelaufen.
    »Geschichte ist Quatsch. Viel wichtiger ist es, alle di e se nicht existierenden Leute zu kennen«, sagte die Mutter.
    Miss Pepper Haviland ist das Ebola-Virus. Mr. Turner Anderson bedeutet, dass sich gerade jemand überg e ben hat.
    Das Radio meldete, es seien schon Helfer unterwegs, die den liegen gebliebenen Wagen abschleppen sol l ten.
    »Das ganze Zeug, das sie dir beibringen, Algebra und Volkswirtschaft, das kannst du vergessen«, sagte sie. »Was hast du denn davon, frag ich dich, wenn du aus einem Dreieck die Wurzel ziehen kannst, und dann schießt dir irgendein Terrorist eine Kugel in den Kopf? Gar nichts hast du davon! Das sind die Sachen, die du wissen musst.«
    Andere Autos schoben sich um sie herum, jagten mit quietschenden Reifen los und verschwanden.
    »Ich möchte, dass du mehr weißt als bloß das Zeug, das die Leute dir gefahrlos mitteilen zu können gla u ben«, sagte sie.
    Der Junge fragte: »Was denn?«
    »Zum Beispiel, wenn du an den Rest deines Lebens denkst«, sagte sie und hielt sich eine Hand vor die Augen, »denkst du eigentlich nie mehr als höchstens ein paar Jahre voraus.«
    Sie sagte auch noch: »Wenn du dreißig bist, ist dein größter Feind du selbst.«
    Oder: »Die Aufklärung ist vorbei. Wir leben jetzt in der Zeit der Gegenaufklärung.«
    Im Radio wurde gesagt, der liegen gebliebene Wagen sei der Polizei gemeldet worden.
    Die Mutter drehte das Radio sehr laut auf. »Ve r dammt«, sagte sie. »Sag mir bitte, dass nicht wir d a mit gemeint sind.«
    »Die haben was von einem goldfarbenen Duster g e sagt«, sagte der Junge. »Das ist unser Auto.«
    Und die Mutter sagte: »Das zeigt, wie wenig du weißt.«
    Sie machte die Tür auf ihrer Seite auf und sagte, er solle rüberrutschen und aussteigen. Sie beobachtete die vorbeirasenden Wagen, die sie beinahe streiften. »Das ist nicht unser Auto«, sagte sie.
    Das Radio brüllte, anscheinend würden die Insassen das Auto jetzt verlassen.
    Die Mutter hielt ihm eine Hand hin. »Ich bin nicht de i ne Mutter«, sagte sie. »Ganz und gar nicht.« Unter den Fingernägeln hatte sie noch mehr getrocknetes Nasenblut.
    Das Radio schrie hinter ihnen her. Der Fahrer des goldfarbenen Duster und ein kleines Kind seien nun selbst eine Gefahrenquelle, die beiden versuchten über vier Spuren mit fließendem Verkehr an den Rand der Autobahn zu kommen.
    Sie

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