Der Simulant
»Elvis hat das Haus verlassen«, dass Feuer ausgebr o chen ist.
Wird in einem Lebensmittelladen Mr. Cash ausgerufen, ist in Wirklichkeit ein Wachmann gemeint. »Aufsicht zur Damenbekleidung« bedeutet, dass dort jemand etwas geklaut hat. In anderen Geschäften wird eine nicht existierende Frau namens Sheila ausgerufen. »Sheila zum Eingang« bedeutet, dass jemand im Ei n gangsbereich beim Diebstahl beobachtet wurde. Mr. Cash und Sheila und Schwester Flamingo bedeuten immer was Schlechtes.
Die Mutter stellte den Motor ab und legte eine Hand oben aufs Steuerrad; mit der anderen Hand schnippte sie und ließ den Jungen wiederholen, was sie ihm be i gebracht hatte. In ihren Nasenlöchern klebte ang e trocknetes Blut. Im Fußraum des Wagens lagen ze r knüllte, blutverschmierte Papiertaschentücher. Blu t spritzer auf dem Armaturenbrett; vom Niesen. Auch auf der Innenseite der Windschutzscheibe.
»In der Schule lernst du nur unwichtiges Zeug«, sagte sie. »Aber was du hier bei mir lernst, kann dir mal das Leben retten.«
Sie schnippte mit den Fingern. »Mr. Amond Silvest i ri?«, sagte sie. »Was musst du machen, wenn er au s gerufen wird?«
Auf manchen Flughäfen bedeutet das einen Terroristen mit einer Bombe. »Mr. Amond Silvestiri, Ihre Gruppe erwartet Sie an Flugsteig 10 in Halle D« bedeutet, dass die Leute von der Spezialeinheit dort den Ve r dächtigen finden werden.
Mrs. Pamela Rank-Mensa bedeutet einen nur mit einer Schusswaffe bewaffneten Mann.
»Mr. Bernard Wellis, Ihre Gruppe erwartet Sie an Flugsteig 16 in Halle F« bedeutet, dass dort jemand einer Geisel ein Messer an den Hals hält.
Die Mutter zog die Handbremse und schnippte mit den Fingern. »Jetzt aber zackig. Was bedeutet Miss Terr y lin Mayfield?«
»Nervengas?«, sagte der Junge.
Die Mutter schüttelte den Kopf.
»Nicht vorsagen«, sagte der Junge. »Ein tollwütiger Hund?«
Die Mutter schüttelte den Kopf.
Sie steckten mitten in einem kompakten Mosaik aus Autos. Über der Autobahn knatterten Hubschrauber.
Der Junge tippte sich an die Stirn und sagte: »Fla m menwerfer?«
Die Mutter sagte: »Du gibst dir ja gar keine Mühe. Willst du einen Tipp?«
»Ein Verdächtiger mit Drogen?«, sagte er. Dann: »Ja, einen kleinen Hinweis.«
Und die Mutter sagte: »Miss Terrylin Mayfield … Denk mal an Kühe und Pferde.«
Und der Junge schrie: »Milzbrand!« Er schlug sich mit der Faust an die Stirn und sagte: »Milzbrand, Mil z brand. Milzbrand.« Er schlug sich an den Kopf und sagte: »Warum vergesse ich das alles immer so schnell?«
Die Mutter fuhr ihm mit der freien Hand durchs Haar und sagte: »Das wird schon. Wenn du nur die Hälfte von all dem behältst, wirst du länger leben als die meisten anderen.«
Die Mutter liebte es, im Stau zu stehen. Dauernd hörte sie im Radio die Empfehlungen, wo man nicht hinfa h ren sollte, und fuhr dann dorthin. Sie fand jeden Stau. Jeden stockenden Verkehr. Brennende Autos und hochgezogene Zugbrücken. Sie fuhr nicht gern schnell, wollte aber einen beschäftigten Eindruck machen. Im Stau war sie zur Untätigkeit verurteilt, ohne dass es an ihr lag. Sie saßen in der Falle. Sicher und gebo r gen.
Die Mutter sagte: »Ich frag dich mal was Leichteres.« Sie schloss lächelnd die Augen, machte sie wieder auf und sagte: »Was bedeutet es, wenn in irgendeinem Kaufhaus die Durchsage kommt, an Kasse fünf wird Wechselgeld gebraucht?«
Sie hatten seit dem Tag, als sie ihn nach der Schule abgeholt hatte, beide nicht mehr die Kleider gewec h selt. Jeden Abend, wenn er in irgendeinem Motel ins Bett gekrochen war, schnippte die Mutter mit den Fi n gern und verlangte seine Hose, sein Hemd, seine Strümpfe und seine Unterhose, und er zog die Sachen unter der Bettdecke aus und reichte sie ihr. Wenn er sie am nächsten Morgen zurückbekam, waren sie manchmal gewaschen.
Wenn Kassierer Kleingeld brauchen, sagte der Junge, bedeutet das, dass eine schöne Frau bei ihnen an der Kasse steht und alle mal herkommen und sie sich a n sehen sollen.
»Na ja, das ist noch nicht alles«, sagte die Mutter. »Aber immerhin.«
Gelegentlich lehnte sich die Mutter an die Wagentür und schlief, und die anderen Autos mussten alle um sie herumfahren. Wenn der Motor lief, leuchteten am Armaturenbrett manchmal rote Warnlämpchen auf, von deren Existenz der Junge bis dahin gar nichts g e wusst hatte. Dann quoll Rauch aus der Motorhaube, und der Motor stellte sich selber ab. Autos, die hinter ihnen eingeklemmt waren, fingen an zu hupen. Im
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