Der Simulant
sie.
Und macht einen Schritt auf mich zu. Die Brille hat sie noch auf. Die Füße stecken noch in den weißen Sege l schuhen, nur dass sie hier golden leuchten.
Ich hatte Recht mit ihren Ohren. Die Ähnlichkeit ist wirklich ungeheuer. Noch ein Loch, das sie nicht schließen kann, umschlossen von Hautwülsten. U m rahmt von weichem Haar.
»Wenn du deine Mutter liebst«, sagt sie, »wenn du nicht willst, dass sie stirbt, dann musst du das mit mir machen.«
Jetzt?
»Ja, jetzt«, sagt sie. »Meine Schleimhaut ist schon so feucht, da steht der Löffel drin.«
Hier?
»Woanders geht es nicht«, sagt sie.
Am Ringfinger trägt sie so wenig wie sonst am ganzen Körper. Ich frage, ob sie verheiratet ist.
»Hast du damit Probleme?«, sagt sie. Nur einen Han d griff entfernt schmiegt sich die Wölbung ihrer Hüfte um die Konturen ihres Arschs. Genauso weit weg r a gen die dunklen Brustwarzen aus den Hügeln ihrer Brüste. Nur eine Armeslänge entfernt liegt die heiße Stelle, an der ihre Beine zusammenkommen.
Ich sage: »Nein. Bestimmt nicht. Kein Problem.«
Ihre Hände knöpfen mir den obersten Hemdknopf auf, dann den nächsten, dann den nächsten. Ihre Hände streifen mir das Hemd von den Schultern.
»Eins musst du aber wissen«, sage ich, »weil du Ärztin bist und so weiter«, sage ich, »ich bin sexsüchtig und zur Zeit in Behandlung.«
Ihre Hände öffnen meine Gürtelschnalle. Sie sagt: »Dann folge einfach deinen Instinkten.«
Sie riecht nicht nach Rosen, Kiefern oder Zitronen. Sie riecht nach gar nichts, nicht einmal nach Haut.
Sie riecht nur feucht.
»Du verstehst das nicht«, sage ich. »Ich bin jetzt fast zwei ganze Tage enthaltsam gewesen.«
In dem goldenen Licht wirkt sie warm und leuchtend. Trotzdem habe ich das Gefühl, wenn ich sie jetzt kü s sen würde, würden meine Lippen wie auf eiskaltem Metall kleben bleiben. Um mich etwas abzubremsen, denke ich an Basalzellenkarzinome. Ich denke an die Eiterflechte, eine bakterielle Hautinfektion. An Hor n hautgeschwüre.
Sie zieht mein Gesicht an ihr Ohr. Sie flüstert: »Gut. Das ist sehr tapfer von dir. Aber wie wär ’ s, wenn du deine guten Vorsätze auf morgen verschiebst … «
Sie streift mir die Hose von den Hüften und sagt: »Du musst Vertrauen zu mir haben.«
Und ihre kühlen, glatten Hände umfassen mich.
15
Wenn du mal im Foyer eines großen Hotels bist, und plötzlich spielen sie da »An der schönen blauen D o nau« – dann nichts wie raus. Denk nicht nach. Lauf weg.
Nichts ist mehr unkompliziert.
Wenn du mal in einem Krankenhaus bist, und plötzlich wird Schwester Flamingo in die Krebsstation gerufen, dann halte dich bloß davon fern. Es gibt keine Schwe s ter Flamingo. Auch einen Dr. Brandt gibt es nicht.
In einem großen Hotel bedeutet dieser Walzer, dass das Gebäude evakuiert werden muss.
In den meisten Krankenhäusern bedeutet Schwester Flamingo, dass Feuer ausgebrochen ist. Für Dr. Brandt gilt dasselbe. Dr. Green bedeutet Selbstmord. Dr. Blue bedeutet, dass jemand zu atmen aufgehört hat.
Solche Sachen hat die Mutter dem dummen kleinen Jungen erzählt, als sie einmal im Stau gestanden h a ben. Das zeigt, wie lange sie schon verrückt ist.
An jenem Tag damals war der Junge in der Schule, als eine Frau vom Schulamt ins Klassenzimmer kam und ihm mitteilte, dass sein Zahnarzttermin gestrichen worden sei. Eine Minute später hatte er gesagt, er müsse auf die Toilette. Er hatte nie einen Termin g e habt. Angerufen hatte zwar tatsächlich jemand und sich als Sprechstundenhilfe ausgegeben, aber das war nur ein neues geheimes Signal. Er verließ die Schule durch eine Seitentür des Speisesaals und sah dann das goldene Auto, in dem sie wartete.
Es war das zweite Mal, dass seine Mutter ihn zu sich zurückholte.
Sie kurbelte das Fenster herunter und sagte: »Weißt du, warum Mami diesmal im Gefängnis war?«
»Weil sie das Zeug zum Haarefärben vertauscht hat?«, sage ich.
Siehe auch: Böswillige Sachbeschädigung.
Siehe auch: Fahrlässige Körperverletzung.
Sie machte mir die Beifahrertür auf und hörte dann nicht mehr auf zu reden. Tagelang.
Wenn du mal im Hard Rock Cafe bist, erzählte sie ihm, und es kommt die Durchsage: »Elvis hat das Haus verlassen«, dann bedeutet das, dass alle Kellner in die Küche kommen und sich erklären lassen sollen, we l ches Tagesgericht ausverkauft ist.
So was sagen dir die Leute, wenn sie nicht mit der Wahrheit rausrücken wollen.
In einem Broadway-Theater bedeutet die Durchsage:
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