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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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berühmten T o ten treffen, um sich von ihnen raten oder helfen zu lassen. Die Begegnung war so real, dass er bei der dritten Sitzung Kleopatra sehen wollte.
    Zu jedem Kunden hat die Mutter gesagt: Lass die ga n ze Spannung aus deinem Gesicht in den Hals fließen, dann aus dem Hals in die Brust. Entspann die Schu l tern. Lass sie in die Couch einsinken. Stell dir ein schweres Gewicht vor, das auf deinem Körper liegt, das Kopf und. Arme immer tiefer in die Polster drückt.
    Entspann die Arme, die Ellbogen, die Hände. Spüre, wie die Spannung in jeden einzelnen Finger rieselt. Entspanne dich, und stell dir vor, wie die Spannung aus den Fingerspitzen rinnt.
    Praktisch hat sie ihn in Trance versetzt, in Hypnose, und ihn dabei angeleitet. Er hat keine wirkliche Zei t reise gemacht. Nichts davon war real. Wichtig war allein, dass er den Wunsch danach hatte.
    Die Mutter hat nur die jeweils passende Geschichte dazu geliefert. Die Einzelheiten. Das Kolorit. Denk an eine Baseballübertragung im Radio. Denk daran, wie wirklich dir das vorkommen kann. Jetzt stell dir vor, du bist in tiefer Trance, in Theta-Trance, in der du h ö ren und riechen kannst. Schmecken und fühlen. Stell dir vor, Kleopatra rollt sich aus ihrem Teppich, nackt und vollkommen und ganz genauso, wie du es dir i m mer gewünscht hast.
    Stell dir Salome vor. Stell dir Marilyn Monroe vor. Stell dir vor, du könntest zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Geschichte zurückreisen und mit jeder Frau schlafen, mit Frauen, die alles tun würden, was du dir nur vo r stellen kannst. Unglaubliche Frauen. Berühmte Fra u en.
    Das Theater im Kopf. Das Bordell des Unterbewussten.
    So hat das angefangen.
    Das war natürlich Hypnose, was sie da gemacht hat, keine echte Reise in die Vergangenheit. Eher eine Art gelenkter Meditation. Sie sagte zu Mr. Jones: Konzen t riere dich auf die Spannung in deiner Brust und lass dann locker. Lass sie über die Taille, die Hüften, die Beine abfließen. Wie Wasser, das in Spiralen durch einen Abfluss fließt. Entspanne jeden Teil deines Kö r pers, lass die Spannung durch Knie, Schienbeine und Füße abfließen.
    Denk an Rauch, vom Wind getrieben. Wie er sich au f löst. Sieh, wie er verschwindet. Wie er verweht.
    In ihrem Terminkalender stand neben seinem Namen: Marilyn Monroe – wie bei den meisten, die zum ersten Mal zu ihr kamen. Marilyn hätte als Geldquelle schon ausgereicht. Prinzessin Diana auch.
    Dann sagte sie zu Mr. Jones: Stell dir vor, du blickst in den blauen Himmel hinauf, und da oben ist ein winz i ges Flugzeug, das den Buchstaben Z an den Himmel schreibt. Lass den Buchstaben vom Wind verwehen. Jetzt stell dir vor, das Flugzeug schreibt den Buchst a ben Y. Lass ihn vom Wind verwehen. Dann den Buc h staben X. Lass ihn verwehen. Dann den Buchstaben W.
    Lass ihn vom Wind verwehen.
    Im Grunde hat sie nur die Kulissen aufgebaut. Hat Männer mit deren Idealen zusammengebracht. Hat ihnen zu einer Begegnung mit deren Unterbewussten verholfen, weil nichts so gut ist, wie das, was man sich vorstellen kann.
    Keine Frau ist so schön, wie du sie dir ausmalst. Nichts ist so aufregend wie deine Fantasie.
    Hier bekam man den Sex, von dem man immer nur geträumt hatte. Sie baute die Kulissen auf und leitete alles ein. Dann schaute sie bis ans Ende der Sitzung nur noch auf die Uhr oder las ein Buch oder löste ein Kreuzworträtsel.
    Hier wurde man niemals enttäuscht.
    In tiefe Trance gesunken, lagen die Männer auf der Couch, zuckten und strampelten wie ein Hund, der im Traum ein Kaninchen jagte. Gelegentlich war einer dabei, der stöhnte oder schrie. Stellt sich die Frage, was die Leute im Zimmer nebenan gedacht haben mögen. Die Männer im Wartezimmer, die den Lärm hörten und dadurch schon ganz aufgeregt wurden.
    Am Ende der Sitzung war der Mann in Schweiß geb a det, das Hemd klebte ihm nass am Leib, in der Hose waren Flecken. Manche konnten glatt den Schweiß aus ihren Schuhen schütten. Aus den Haaren schütteln. Die Couch in ihrer Praxis war zwar imprägniert, bekam aber nie die Gelegenheit, richtig trocken zu werden. Heute steckt sie unter einem durchsichtigen Plasti k überzug, der eher dazu dient, den in all den Jahren angesammelten Schmutz drinnen zu halten, als sie vor der Außenwelt zu schützen.
    Jedenfalls mussten die Männer ein Handtuch mitbri n gen, in der Aktentasche, in Papiertüten, in Sportt a schen, zusammen mit frischen Sachen zum Umziehen. Zwischen den einzelnen Kunden sprühte sie was zur Luftverbesserung ins

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