Der Simulant
ist nicht so, dass die Mutter von Anfang an den Plan gehabt hätte, die mächtigsten Frauen der Geschichte heraufzubeschwören, um es den Männern dann mit der Hand, mit dem Mund, halb und halb oder von hi n ten zu machen.
Es war einfach ein Schneeballeffekt. Der erste Kunde hat es irgendwem erzählt. Einem Freund am Telefon. Der hat es einem anderen Freund erzählt. Am Anfang wollten sie bloß Hilfe, ganz legal. Wollten vom Ra u chen oder Kautabak loskommen. Vom Spucken in der Öffentlichkeit. Vom Ladendiebstahl. Und plötzlich wol l ten sie nur noch Sex. Wollten Clara Bow und Betsy Ross und Elizabeth Tudor und die Königin von Saba.
Und Tag für Tag ging sie in die Bibliothek und reche r chierte die Frauen, die am nächsten Tag drankommen sollten: Eleanor Roose velt, Amelia Earhart, Harriet Beecher Stowe.
Einatmen, ausatmen.
Die Kunden wollten mit Helen Hayes, Margaret Sa n ger, Aimee Semple McPherson vögeln. Mit Edith Piaf, Sojourner Truth und der Kaiserin Theodora. Am A n fang verunsicherte es die Mutter, dass die Männer alle so besessen waren, es nur mit toten Frauen treiben zu wollen. Und dass sie nie dieselbe Frau ein weiteres Mal verlangten. Und ganz gleich, mit wie vielen Details sie jede einzelne Sitzung ausschmückte, sie wollten i m mer nur vögeln und bumsen, nageln und bürsten, pimpern und bimsen, fegen, geigen, stempeln, hobeln, knallen und rammeln.
Manchmal ist ein Euphemismus einfach keiner.
Manchmal ist ein Euphemismus deutlicher als das, was er verhüllen soll.
Und es ging nicht um richtigen Sex.
Diese Männer meinten das, was sie haben wollten, ganz wörtlich.
Sie wollten keine Unterhaltung oder Kostüme oder historische Genauigkeit. Sie wollten Emily Dickinson nackt in Stöckelschuhen, einen Fuß auf dem Boden, den anderen auf dem Schreibtisch, sie sollte nach vorn gebeugt stehen und sich mit einem Federkiel in der Arschspalte spielen.
Die Männer bezahlten zweihundert Dollar, um in Tra n ce Mary Cassatt im Pushup-BH vor sich zu sehen.
Nicht alle Männer konnten sich das leisten, und so kamen immer nur dieselben. Typen, die ihre Kleinbu s se sechs Straßen weiter parkten und mit ihrem Scha t ten im Schlepptau dicht an den Häusern entlang zum Haus meiner Mutter hasteten.
Sie stolperten mit So n nenbrillen ins Wartezimmer und warteten hinter aufgeschlagenen Zeitungen und Zei t schriften, bis ihr Name aufgerufen wurde. Bezi e hungsweise ihr Dec k name. Wenn die Mutter und der dumme kleine Junge ihnen zufällig mal in der Öffen t lichkeit begegneten, taten diese Männer immer so, als ob sie sie nicht ke n nen würden. In der Öffentlichkeit hatten sie Frauen. Im Supermarkt hatten sie Kinder. Im Park Hunde. Und sie hatten richtige Namen.
Sie bezahlten sie mit feuchten Zwanzigern und Fünfz i gern aus klatschnassen Brieftaschen voller verschwit z ter Fotos, Bibliotheksausweise, Kreditkarten, Klubmi t gliedskarten, Führerscheine, Münzen. Pflichten. Ve r antwortung. Wirklichkeit.
Sie sagte zu den Kunden: Stell dir die Sonne auf der Haut vor. Spüre, wie die Sonne bei jedem Ausatmen immer wärmer wird. Die Sonne liegt hell und warm auf deinem Gesicht, auf deiner Brust, auf deinen Schu l tern.
Einatmen. Ausatmen.
Ein. Und aus.
Plötzlich wollten ihre Stammkunden alle was mit zwei oder mehr Frauen gleichzeitig. Indira Gandhi und Ca r ol Lombard. Margaret Mead und Audrey Hepburn und Dorothea Rix.
Dauerkunden wollten nicht einmal mehr sie selber sein.
Kahlköpfige baten um volles, dichtes Haar. Fettsäcke baten um Muskeln. Bleichgesichter baten um gebräu n te Haut. Und irgendwann bat jeder dieser Männer um eine gewaltige, ellenlange Erektion.
Es ging also nicht um echte Rückversetzung in ein früheres Leben. Es ging nicht um Liebe. Auch nicht um Geschichte oder Realität. Es war nicht wie Fernsehen, es geschah vielmehr im Kopf. Es war eine Sendung, und sie war der Sender.
Das war kein Sex. Sie war nur der Reiseführer durch einen feuchten Traum. Lapdance unter Hypnose.
Die Männer behielten immer die Hose an. Das diente der Schadensbegrenzung. Die Schweinerei ging weit über bloße Wichsflecken hinaus. Und brachte ein Ve r mögen ein.
Mr. Jones wurde mit der üblichen Marilyn-Nummer bedient. Er lag starr auf der Couch, schwitzend und keuchend. Verdrehte die Augen. Bekam Schwitzflecke unter den Achseln. Ein Zelt in der Hose.
Hier ist sie, sagte die Mutter zu Mr. Jones.
Der Nebel ist weg, es ist ein sonniger, warmer Tag. Spüre die Luft an der nackten Haut, an deinen nackten
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