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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Hühnereier.«
    Nur um auf die Kacke zu hauen, sage ich, sie sollen den Käsemacher fragen, warum seine Augen so rot und geweitet sind. Und fragt den Schmied, was das für eklige Streifen sind, die er an der Innenseite seiner Arme hat. Ich rufe den ansteckenden kleinen Ung e heuern hinterher: Falls ihr irgendwelche Leberflecken oder Sommersprossen habt, das ist Krebs, der nur darauf wartet, zum Ausbruch zu kommen. Ich rufe ihnen nach: »Die Sonne ist euer Feind. Haltet euch immer auf der Schattenseite.«

29
    Nachdem Denny eingezogen ist, entdecke ich im Küh l schrank einen Block aus körnigem Granit. Denny schleppt Basaltbrocken an, seine Hände weisen rote Eisenoxidflecken auf. Er wickelt seine rosa Babydecke um schwarze Granitpflastersteine und glatte Flusski e sel und funkelnde Glimmerquarzittafeln und bringt jedes einzelne Stück nach Hause.
    Das alles sind Babys, die Denny adoptiert. Eine ganze Generation stapelt sich da auf.
    Jedes Mal, wenn Denny nach Hause kommt, hat er so einen rosa eingepackten Klotz dabei, Sandstein, Kal k stein und so weiter. In der Einfahrt spritzt er sie mit dem Schlauch sauber. Er stapelt sie hinterm Sofa im Wohnzimmer. Er stapelt sie in der Küche, in allen Ecken.
    Jeden Tag liegt, immer wenn ich von einer anstre n genden Schicht im achtzehnten Jahrhundert zurüc k komme, ein großes Stück Lava auf der Anrichte neben der Spüle oder ein kleiner grauer Stein im zweiten Fach von unten im Kühlschrank.
    »Mann«, sage ich. »Was soll der Stein da im Küh l schrank.«
    Denny ist in der Küche, er holt warme saubere Steine aus der Geschirrspülmaschine, trocknet sie mit einem Handtuch ab und sagt: »Weil das mein Fach ist. Hast du selbst gesagt.« Er sagt: »Außerdem ist das nicht einfach ein Stein. Das ist Granit.«
    »Aber warum im Kühlschrank?«, sage ich.
    Und Denny sagt: »Weil der Backofen schon voll ist.«
    Der Backofen ist voller Steine. Das Gefrierfach auch. Die Küchenschränke sind so voll, dass die Dübel sie nicht mehr halten können.
    Geplant war ein Stein pro Tag, aber Denny ist eine ausgesprochene Suchtpersönlichkeit. Jetzt muss er täglich ein halbes Dutzend Steine anschleppen, nur um nicht aus der Gewohnheit zu kommen. Täglich läuft der Geschirrspüler; auf jeder freien Fläche in der Küche sind die guten Badetücher meiner Mutter au s gebreitet, und darauf liegen Steine, die an der Luft trocknen sollen. Runde graue Steine. Eckige schwarze Steine. Bröcklige braune und gestreifte gelbe Steine. Travertin-Kalkstein. Jede neue Ladung, die Denny nach Hause bringt, tut er in den Geschirrspüler; die sauberen, trockenen Steine vom Tag zuvor wirft er in den Keller.
    Erst sieht man vor lauter Steinen den Fußboden des Kellers nicht mehr. Dann stapeln sich die Steine um die unterste Treppenstufe. Dann ist der Keller bis auf halbe Treppenhöhe gefüllt. Inzwischen, wenn man jetzt die Kellertür aufmacht, ergießen sich die drinnen aufgestapelten Steine in die Küche. Es gibt keinen Ke l ler mehr.
    »Mann, hier wird ’ s langsam eng«, sage ich. »Kommt mir vor, als ob wir in der unteren Hälfte einer Sanduhr leben würden.«
    Als ob uns irgendwie die Zeit ausgehen würde.
    Lebendig begraben.
    Denny in seinen schmutzigen Sachen, das Wams löst sich unter den Achseln auf, das Halstuch hängt in Fe t zen – Denny steht an der Bushaltestelle und wiegt sein rosa Bündel an der Brust. Wenn ihm die Muskeln des einen Arms einschlafen, wechselt er die Last auf den anderen. Im Bus dann lehnt er mit seinem schmutzbeschmierten Gesicht am dröhnenden Metall der Innenverkleidung, er hält sein Baby in den Armen und schnarcht.
    Beim Frühstück sage ich: »Mann, du hast gesagt, e i nen Stein pro Tag.«
    Und Denny sagt: »Tu ich doch auch. Immer nur e i nen.«
    Und ich sage: »Mann, du bist echt süchtig.« Ich sage: »Lüg nicht. Ich weiß, dass du mindestens zehn Steine pro Tag anschleppst.«
    Denny verstaut einen Stein im Badezimmer, im Med i zinschränkchen, und sagt: »Okay, dann bin ich me i nem Zeitplan eben ein bisschen voraus.«
    Du hast einen Stein im Spülkasten versteckt, sage ich.
    Und ich sage: »Nur weil das Steine sind, heißt das noch lange nicht, dass das kein Betäubungsmitte l missbrauch ist.«
    Denny steht hustend an der Bushaltestelle, seine Nase läuft, sein Schädel ist rasiert, die Babydecke ist vom Regen durchweicht. Er wechselt das Bündel von einem Arm auf den anderen. Das Gesicht halb im Kragen, zieht er den rosa Satin der Decke etwas höher. Um sein Baby

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