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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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ansetzendes Flugzeug den Schluss seiner kleinen A n sprache aus.
    Die Wache, zwei Reihen Männer mit Gewehren, esko r tierte Denny zu den Toren des alten Dunsboro. Sie führten ihn durchs Tor und über den Parkplatz bis zur Bushaltestelle am Rand des einundzwanzigsten Jah r hunderts.
    »He, Mann«, rufe ich ihm durchs Tor hinterher, »jetzt, wo du tot bist – was willst du da mit deiner ganzen Freizeit anfangen?«
    »Fragt sich eher, was ich nicht tun werde«, sagt De n ny. »Auf jeden Fall werde ich garantiert nicht rückfä l lig.«
    Also Steine sammeln statt wichsen. So beschäftigt, so hungrig, müde und arm bleiben, dass keine Energie mehr übrig blieb, Pornos nachzujagen und sich einen runterzuholen.
    Als Denny am Abend nach seiner Verbannung ins Haus meiner Mutter kommt, hat er einen Stein in den A r men und einen Polizisten neben sich. Denny wischt sich die Nase am Ärmel ab.
    Der Bulle sagt: »Victor? Victor Mancini? He, Victor, wie läuft ’ s denn so? Ihr Leben, meine ich.« Er hebt eine Hand, zeigt mir die große, flache Handfläche.
    Ich nehme an, ich soll ihn abklatschen, aber um das zu tun, muss ich ein bisschen hochhüpfen, weil der Bulle so groß ist. Trotzdem verfehle ich seine Hand. Ich sage: »Ja, das ist Denny. Das geht in Ordnung. Er wohnt hier.«
    Der Bulle dreht sich zu Denny um und sagt: »Unglau b lich. Da rettet man einem das Leben, und der kann sich nicht mehr dran erinnern.«
    Ach so.
    »Damals, als ich fast erstickt bin!«, sage ich.
    Und der Bulle sagt: »Sie erinnern sich!«
    »Klar«, sage ich. »Und danke, dass Sie meinen Freund Denny wohlbehalten nach Hause gebracht haben.« Ich ziehe Denny herein und will die Tür zumachen.
    Und der Bulle sagt: »Geht ’ s Ihnen gut, Victor? Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
    Ich gehe zum Esszimmertisch und schreibe einen N a men auf einen Zettel. Den gebe ich dem Bullen und sage: »Können Sie dafür sorgen, dass dem Kerl das Leben zur Hölle gemacht wird? Vielleicht könnten Sie ein paar Hebel in Bewegung setzen und ihn einer Re k taluntersuchung unterziehen lassen?«
    Auf dem Zettel steht der Name von Seiner Exzellenz Charlie, dem Siedlungsgouverneur.
    Was würde Jesus nicht tun?
    Und der Bulle lächelt und sagt: »Ich will mal sehen, was sich machen lässt.«
    Und ich mache ihm die Tür vor der Nase zu.
    Jetzt wuchtet Denny den Stein auf den Fußboden und fragt, ob ich ein paar Dollar übrig habe. Er habe in einer Baustoffhandlung einen Quader Granit entdeckt. Gut zum Bauen geeignet, ein Stein mit hoher Druc k festigkeit, kostet soundso viel pro Tonne, und er ne h me an, dass er das Exemplar für zehn Dollar beko m men könne.
    »Ein Stein ist ein Stein«, sagt er, »aber ein echter Quader ist was ganz Besonderes.«
    Im Wohnzimmer sieht es aus wie nach einem Stei n schlag. Anfangs lagen die Steine nur um das Sofa he r um. Dann begruben sie die Beistelltische, bis oben nur noch die Lampenschirme herausschauten. Granit und Sandstein. Graue und blaue und schwarze und braune Steine. In einigen Zimmern können wir uns nur noch gebückt bewegen, wenn wir nicht mit dem Kopf an die Decke stoßen wollen.
    Also frage ich ihn, was er denn bauen will?
    Und Denny sagt: »Gib mir die zehn Dollar«, sagt De n ny, »dann darfst du mir helfen.«
    »Diese blöden Steine«, sage ich, »was willst du bloß damit?«
    »Es geht nicht darum, etwas fertig zu bekommen«, sagt Denny. »Sondern darum, etwas zu tun, verstehst du, es geht um den Vorgang als solchen.«
    »Aber was willst du mit all den Steinen machen?«
    Und Denny sagt: »Das weiß ich erst, wenn ich genug gesammelt habe.«
    »Und was heißt genug?«, sage ich.
    »Keine Ahnung, Mann«, sagt Denny. »Ich will nur, dass die Tage meines Lebens sich sozusagen verfest i gen.«
    Es gibt Leute, bei denen verschwindet einfach ein Tag nach dem anderen vor dem Fernseher, sagt Denny. Er aber will jeden einzelnen Tag durch einen Stein ve r ewigen. Durch etwas Greifbares. Einen Gegenstand. Ein kleines Denkmal, das am Ende jedes Tages steht. Jedes Tages, den er nicht mit Wichsen verbringt.
    »Grabstein« ist nicht das richtige Wort, aber das erste, das mir dazu einfällt.
    »Auf diese Weise wird vielleicht doch noch was aus meinem Leben«, sagt er, »etwas Dauerhaftes.«
    Hoffentlich gibt es eine Zwölfstufentherapie für Stei n süchtige, sage ich.
    Und Denny sagt: »Als ob das was helfen würde.« Er sagt: »Wann hast du denn das letzte Mal an deine vierte Stufe gedacht?«

30
    Die Mutter und der dumme kleinen

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