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Der Simulant

Der Simulant

Titel: Der Simulant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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einen violetten Schimmer hat. Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und kriecht an den Bühnenrand.
    Die Musik: lautes Technozeug mit Hundegebell, Aut o alarmsirenen, Gebrüll von Hitlerjugendaufmärschen. Gl ä serklirren und Schüsse. Man hört auch Fraue n schreie und Feuerwehrglocken in der Musik.
    »He, Picasso«, sagt die Tänzerin und lässt einen Fuß vor Dennys Gesicht baumeln.
    Ohne von seiner Skizze aufzublicken, zieht Denny e i nen Dollar aus der Hosentasche und schiebt ihn ihr zwischen die Zehen. Auf dem Stuhl neben ihm liegt wieder einmal ein Stein, eingewickelt in die rosa B a bydecke.
    Im Ernst, mit der Welt kann was nicht stimmen, wenn wir zu Feueralarm tanzen. Feueralarm hat nicht mehr die Bedeutung, dass es brennt.
    Wenn es wirklich brennen würde, dann käme von i r gendwo eine freundliche Stimme mit der Durchsage: »Buick Kombi, Kennzeichen BRK 773, Sie haben ve r gessen, das Licht auszumachen.« Im Fall eines echten nuklearen Angriffs würde jemand rufen: »Anruf an der Bar für Austin Letterman. Telefon für Austin Lette r man.«
    Die Welt wird nicht mit einem Winseln oder einem Knall untergehen, sondern mit einer diskreten, g e schmackvollen Durchsage: »Bill Riverdale, Telefon für Sie auf Leitung zwei.« Und dann: nichts mehr.
    Die Tänzerin nimmt Dennys Geld zwischen ihren Z e hen heraus. Sie legt sich auf den Bauch, stützt die Ellbogen auf den Bühnenboden, drückt die Brüste z u sammen und sagt: »Zeig mal, was du da malst.«
    Denny zieht ein paar rasche Striche und hält ihr dann den Block hin.
    »Und das soll ich sein?«, sagt sie.
    »Nein«, sagt Denny und betrachtet nun seinerseits die Skizze. »Das soll eine komposite Säulenanordnung sein, wie die Römer sie verwendet haben. Schau mal«, sagt er und deutet mit seinem schmutzigen Finger darauf, »die Römer haben die Voluten der ionischen Ordnung mit dem korinthischen Akanthuslaub komb i niert und dabei trotzdem alle Proportionen beibeha l ten.«
    Die Tänzerin ist Cherry Daiquiri, die wir bei unserem letzten Besuch hier kennen gelernt haben, nur hat sie jetzt ihr blondes Haar schwarz gefärbt. An der Inne n seite eines Oberschenkels hat sie ein kleines rundes Pflaster.
    Ich bin hinter Denny getreten und sehe ihm über die Schulter. »Mann«, sage ich.
    Und Denny sagt: »Mann.«
    Und ich sage: »Du redest, als ob du mal wieder in der Bücherei gewesen bist.«
    Zu Cherry sage ich: »Gut, dass du dich um den Lebe r fleck gekümmert hast.«
    Cherry Daiquiri schwingt die Haare hin und her. Sie neigt den Kopf und wirft die langen schwarzen Haare über die Schultern. »Und ich habe mir die Haare g e färbt«, sagt sie. Sie zieht mit einer Hand ein paar Strähnen nach vorn und hält sie mir hin, reibt sie zw i schen den Fingern.
    »Die sind jetzt schwarz«, sagt sie.
    »Das ist gesünder, nehme ich mal an«, sagt sie. »Du hast mir doch erzählt, dass blonde Frauen besonders anfällig für Hautkrebs sind.«
    Ich schüttle die Bierflaschen auf dem Tisch, um he r auszufinden, ob in einer noch was zum Trinken drin ist, und sehe Denny an.
    Denny zeichnet, er hört nicht zu, nicht einmal hier.
    Korinthisch-toskanische komposite Architrave des Säulengebälks … Manche Leute dürfte man nur auf R e zept in die Bibliotheken lassen. Im Ernst, architekton i sche Bücher sind Dennys Pornografie. Genau, erst sind es nur ein paar Steine. Und dann ist es ein Fäche r maßwerk-Gewölbe. Typisch Amerika, sage ich. Man fängt mit Wichsen an und landet bei Orgien. Man raucht Gras, und am Ende nimmt man Heroin. Größer, besser, stärker, schneller: Das ist unsere ganze Ku l tur. Das Schlüsselwort ist Fortschritt.
    Wenn man in Amerika nicht immer wieder eine neue und bessere Sucht entwickelt, ist man ein Versager.
    Ich sehe Cherry an und tippe mir an die Stirn. Ich richte einen Finger auf sie, zwinkere ihr zu und sage: »Kluges Kind.«
    Sie versucht, sich einen Fuß hinter den Kopf zu biegen und sagt: »Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Ihr Busch ist immer noch rasiert, die Haut rosa gespre n kelt. Silberlack auf den Zehennägeln. Die Musik geht in Maschinengewehrsalven und pfeifende Bomben über, und Cherry sagt: »Pause.« Sie schlüpft durch e i nen Schlitz im Vorhang hinter die Bühne.
    »Sieh uns nur mal an, Mann«, sage ich. Ich finde die letzte Flasche, das Bier ist warm. »Eine Frau braucht sich bloß auszuziehen, und schon geben wir ihr unser ganzes Geld. Warum sind wir nur solche Sklaven?«
    Denny blättert um und fängt eine neue

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