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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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die Vorstellung, allein in meinen vier Wänden zu sitzen, verursachte mir Unbehagen.
    Die Nacht war erstaunlich mild. Auf der Straße sirrten die Automatentaxen und die Elektrofahrräder. Über Belangloses redend, schlenderten wir die Bahnhofsstraße entlang. Kerstin lachte viel, stieß mich an oder fasste mich am Arm. Schon nach wenigen Metern wurde ich lockerer, ging ein Teil ihrer Unbekümmertheit auf mich über.
    Wir waren schon fast am Eingang der illegalen Raucherkneipe angekommen, als Kerstin abrupt stehenblieb. »Ich habe eine bessere Idee. Wollen wir in die Blaue Lagune ? Hast du Lust?« Sie klatschte in die Hände. »Oh, ja, bitte, Marc, bitte, bitte, bitte!«
    Wenn mir jemand vor einer halben Stunde prophezeit hätte, ich würde mit Kerstin Klier in die Blaue Lagune gehen, hätte ich ihn für verrückt erklärt. In der Stimmung, in der ich jetzt war, erschien mir das nicht mehr so abwegig. Wenn der Weg zur Spielhölle länger gewesen wäre, hätte ich es mir vielleicht anders überlegt, da wir aber praktisch schon mittendrin standen – um in die Schwarze Zigarre zu gelangen, musste man an den ganzen Kabinen vorbei – hatte sie ihre Idee flugs in die Tat umgesetzt.
    Sie bezahlte für uns beide – zwei volle Stunden – und handelte mit der Aufsicht einige Details aus. Dann wurden wir in eine Doppelkabine geführt und angeschlossen. Kerstin war aufgeregt. Sie redete ununterbrochen und schwärmte von ihrer letzten Reise.
    Die Blaue Lagune war ein interaktives Erlebnisprogramm von Toyota Entertainment. So viel wusste ich. Es stellte detailgetreu eine fiktive Südseeinsel nach. Als einzige Gäste war man auf der unbewohnten Insel ganz und gar ungestört. So stand ein virtueller Badeausflug in der Gunst der Jugendlichen ganz oben, wenn man sich zu einem ersten Date verabredete. Allerdings war das Vergnügen nicht ganz billig.
    Auch in diesem System war der Übergang nicht frei von Nebenwirkungen. Plötzlich meinte ich zu fallen, und ich zuckte heftig zusammen. In einem ersten Augenblick fürchtete ich sogar, mein Schwindel sei zurück, doch schon lichtete sich das Flackern vor meinen Augen, und ein sonnendurchfluteter Strand materialisierte vor mir.
    Ich hatte nicht auf die Spezifikation des Interface geachtet, doch die Simulation machte einen ordentlichen Eindruck. Einige Fehler erkannte ich allerdings sofort. Auch die Differenzierung ließ zu wünschen übrig. Die Form der Palmkronen wiederholte sich und die Muscheln lagen für meinen Geschmack in zu regelmäßigen Abständen herum.
    Doch dann nahm mich Kerstin an die Hand, und wir rannten ein Stück den Strand entlang. Wenn ich den Aufenthalt genießen wollte, musste ich aufhören, meine Umgebung aus der Sicht des Experten zu analysieren. Ich musste sie so sehen, wie ein normaler Tourist sie sah.
    Zuerst musterte ich allerdings meine Begleiterin. Mit der Kerstin, die ich kannte, hatte sie wenig Ähnlichkeit. Das erleichterte mich. Nicht, dass Kerstin hässlich gewesen wäre, ganz und gar nicht. Wollte ich mich aber wirklich ablenken, dann war eine fast Fremde dafür sicherlich besser geeignet.
    Kerstin-2 war ebenfalls blond, aber deutlich jünger. Ihr makelloser Körper schien einem Playboy-Hologramm entsprungen und war schokoladenbraun gebrannt. Sie trug einen sehr knappen, roten Bikini, der ihre Rundungen mehr schmückte als verdeckte.
    Auch ich hatte mich verändert. Ich war etwas größer und viel muskulöser geworden. Mein Haar trug ich länger, und auch meine weiße Badehose wölbte sich stärker, als sie es üblicherweise an meinem See in der Schweiz tat. Alles in allem konnte ich den Veränderungen allerdings etwas abgewinnen.
    War das Ergebnis der Simulation bei unseren Körpern schon beachtlich, hatte sich das System bei der Gestaltung der Landschaft selbst übertroffen. Ich war weder in der Südsee gewesen noch in der Karibik. Aber auf den Seychellen hatte ich einmal Urlaub gemacht. Und genauso hatte ich eine tropische Insel in Erinnerung: Ein schneeweißer Muschelkalkstrand, der sich in der Ferne verlor, endlose Palmenhaine, über denen die Fregattvögel schwebten, und türkisgrünes Wasser unter kobaltblauem Himmel. Nicht weit vom Strand brachen sich die Wellen am Außenriff, sprangen Delfine elegant aus dem Wasser.
    Wir liefen lange am Strand entlang, begegneten einer Riesenschildkröte, die mühsam aus dem Wasser robbte, schlugen eine Kokosnuss auf, um ihre Milch zu trinken, und sprangen schließlich in die Fluten. So wie die Luft angenehm

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