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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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selbst.«
    Ich hielt inne. Nicht nur mir drohte die Auslöschung, erkannte ich. Die ganze Welt war in Gefahr. Sollte es nicht gelingen, Kowalski und den Milieu-Simulator zu stoppen, würde man vermutlich ein globales Reset veranlassen. Was für den großen Simulator lediglich einen aufwändigen Neustart bedeutete, wäre für uns das Ende der Welt, der Jüngste Tag.
    Das war wohl auch der Grund, warum ich bisher verschont worden war. Der große Steuermann hatte alle Hände voll damit zu tun, sein Werk zu retten. Auf eine einzelne Reaktionseinheit wie mich, so fehlgeleitet sie auch war, kam es im Moment nicht an.
    »Die Interviewer werden mobilisiert...«
    »Durch mich mobilisiert«, warf der Doc ein.
    »...sie belagern das Sinex-Hochhaus. Doch Kowalski beruft eine Pressekonferenz ein und überzeugt die Medien von den wundersamen Möglichkeiten seiner Maschine. Es steht eins zu eins und das Spiel geht in die letzte Runde.«
    »Das waren die bekannten Fakten, Marc. Doch was passiert jetzt?«
    Ich dachte eine Weile nach. »Man kann es drehen und wenden, wie man will. Ich wüsste nicht, wer oder was Kowalski noch stoppen könnte.«
    »Also Reset? Aus, Ende, vorbei? Wir knipsen die Welt aus?« Der Doc schien mich noch immer nicht ernst zu nehmen.
    »Wenn ich der große Steuermann wäre, würde ich einen letzten verzweifelten Angriff starten«, antwortete ich, »alles auf eine Karte setzen, um meine Simulation zu retten. Jetzt sofort und mit allem, was ich habe.«
    Der Doc war blass geworden. Noch bevor er etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür, und ein mir unbekannter Mann kam schnellen Schritts herein. »Es geht los«, rief er. »Das sollten wir uns gemeinsam anschauen.«
    »Richard Benson«, stellte uns Schmitt vor, »Präsident des BVI. Richard, das ist Dr. Marc Lapierre.«
    Der BVI-Chef pfiff durch die Zähne. »Der technische Direktor des Sinex-Milieu-Simulators?«
    »Der ehemalige technische Direktor«, der Doc klopfte mir auf die Schulter. »Jetzt ist er einer von uns.«
    Noch bevor ich protestieren konnte, versicherte Benson, wie großartig das sei, dass er aber jetzt die Live-Übertragung sehen müsse.
    Das Licht wurde heruntergedimmt, und die große TriVid-Wand sprang mit einem lauten Knacken an. Trotz des Halbdunkels konnte er erkennen, dass mich der Doc von der Seite nachdenklich ansah.
    Richard Benson war ein untersetzter, vor Kraft strotzender Mann. Wenn ich es mir recht überlegte, kannte ich ihn doch. Sicherlich hatte ich ihn unzählige Male in einem der TriVid-Magazine gesehen. Auf einem der vielen Kongresse war er mir jedenfalls nicht über den Weg gelaufen, denn ich besuchte solche Veranstaltungen schon seit Jahren nicht mehr.
    Benson war sichtlich angespannt. Ständig rieb er sich die Hände, lachte grundlos, redete, rutschte auf seinem Stuhl hin und her.
    Wir hatten Google-News eingeschaltet, den wichtigsten Nachrichtenkanal, doch ich zweifelte nicht daran, dass alle anderen die mehr oder weniger gleichen Bilder übermittelten.
    Auf einem roten Laufband am unteren Bildrand las ich: ‚...vor der Sinex-Zentrale. *** Heidelberg: Bürgerkriegsähnliche Zustände vor der Sinex-Zentrale. *** Heidelberg:... « Kleiner darunter: ‚ Zahlreiche Verletzte bei schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei ’.
    Tatsächlich hatte ich das Sinex-Hochhaus sofort erkannt. Doch das Bild, das sich mir bot, war höchst ungewöhnlich. Aus den wenigen Demonstranten der vergangenen Tage war eine schier unübersehbare Menschenmenge geworden. Sie mochte mehrere tausend Personen umfassen. Obwohl die O-Töne nur gedämpft durch den Kommentar des Sprechers hindurchklangen, war offensichtlich, dass gerufen und geschrien wurde. Steine flogen, und das Klirren der zu Bruch gehenden Scheiben der Glasfront unserer Zentrale vermischte sich mit den dumpfen Einschlägen, wenn ein Einsatzwagen oder ein Wasserwerfer getroffen wurden.
    »Sehen Sie, Schmitt, kaum mehr als zwei Hundertschaften.« Er schlug sich auf den Oberschenkel. »Was habe ich gesagt? Wir müssen sie überraschen. Verwegen müsst ihr sein «, zitierte er dann einen mir nicht namentlich bekannten Feldherrn.
    Er redete weiter, lobte die logistische Meisterleistung, mehrere tausend Interviewer unbemerkt bis vor die Tür des Gegners gebracht zu haben, die Zuverlässigkeit seiner Männer – beinahe hätte man denken können, es handelte sich um Soldaten – ihre Verschwiegenheit – schließlich sei nichts durchgesickert – und er versäumte es auch nicht, auf die

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