Der Simulator
Stunden.«
Seine Miene hellte sich auf. »Also wir hätten hier den Schwarzwald, bei den Amerikanern wird dieses Angebot sehr gut angenommen. Warten Sie, warten Sie...« Er tippte etwas in seinen Kontrollschirm. »Antarktis?« Bevor ich etwas sagen konnte, hob er die Hand. »Natürlich mit normaler Temperatur, 25 Grad, ist das angenehm für Sie?« Wieder schüttelte ich den Kopf. »Also, kein Südpol. Namibia? Wunderbare Landschaft übrigens. New York? Entschuldigung, ich vergaß. Keine Menschen. Hm, Ayers Rock? Die Pyramiden, Machu Picchu? Ohne Touristen, natürlich, nur Sie allein. Nein? Malediven, Salomonen, Sansibar?«
»Haben Sie auch die Seychellen im Angebot?« unterbrach ich seinen Redefluss.
»Das Original oder den Nachbau in Dubai? Kleiner Scherz, kleiner Scherz... Da haben wir sie doch! Allerdings nicht ganz billig, nicht ganz billig. Kein Wunder bei den Lizenzgebühren! Für uns das reinste Zuschussgeschäft. Vielleicht doch lieber die Malediven?« Er tat so, als schaute er sich verstohlen um. »Wir haben sie als Raubkopie. Zum halben Preis... Natürlich in Top-Qualität, da gibt es keine Kompromisse.«
»Nein, geben Sie mir die Seychellen.« Ich legte meine Hand auf den Abdrucksensor, um den Betrag zu bezahlen.
»Vielen Dank, mein Herr.« Er zeigte den Gang hinunter. »Kabine 7, gleich rechts. Ich wünsche Ihnen viel Spaß.« Es klang ironisch.
Kaum hatte ich den Helm aufgesetzt, fand ich mich an einem menschenleeren Strand wieder. Der Übergang war zwar plötzlich, aber nicht unangenehm. Kein Schwindel, keine Übelkeit, keine Spur von dem üblichen Druck im Schädel.
Barfuß ging ich über den Sand, der zwar warm war, aber nicht brannte. In dieser Hinsicht zumindest hatte der Mann Wort gehalten. Der Himmel war wolkenlos. Eine schwache Brise strich vom Meer ans Land.
Es mochte früher Nachmittag sein. Die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und begann hinaus aufs Meer zu wandern, einem spektakulären Untergang entgegen. Dieser, so hoffte ich, wäre im Preis enthalten, auch wenn ich ausdrücklich auf Extras verzichtet hatte.
Kurz vor der Horizontlinie lag das Außenriff. Dort brachen sich die Wellen, schoben sich die Schaumkronen landwärts. Vor meinen Füßen dagegen war das Meer seicht und ruhig, kaum eine Bewegung kräuselte seine Oberfläche.
Das Wasser war grün und klar. Darin konnte ich Gräser erkennen, Steine, Krebse, die darüber hinwegliefen, und Fische verschiedenster Größe und Farbe. Eine ordentliche Animation, die ihr Geld wert war.
Der Strand folgte einer langgezogenen Bucht. Auf der anderen Seite konnte ich die typischen Mangrovenwälder ausmachen, die bis weit ins flache Wasser hineinreichten. Ich fragte mich, ob ich dort ebenfalls die roten Landkrabben fände, die mich Jahre zuvor so fasziniert hatten.
Wie lange lag mein Besuch zurück? Ich überlegte. Acht oder neun Jahre. Eine Ewigkeit. Jung war ich damals gewesen, hatte gerade mein Studium in Heidelberg aufgenommen, und wenn meine Freundin Barbara, die einer reichen Familie entstammte, nicht alles bezahlt hätte, wäre eine solche Reise für mich unerschwinglich gewesen.
Tatsächlich hatte das Bild, das sich mir bot, eine gewisse Ähnlichkeit mit unserem Lieblingsstrand im nordwestlichen Teil der Hauptinsel. Aber vielleicht ähnelten sich alle tropischen Strände, verschwammen sie bis zur Unkenntlichkeit ineinander. Ich dachte an die Projektion in meinem neuen Büro. Auch diese hätte hier entnommen sein können.
Dort hinten waren wir durch den Palmenhain gekommen. Nicht weit von der Bushaltestelle. Plötzlich hatte sich das Dickicht geöffnet, und wir waren fassungslos über so viel Schönheit dagestanden. Einen Augenblick, den ich nie vergessen würde.
Wir waren sehr verliebt gewesen. Das heißt, ich war sehr verliebt gewesen. Denn bald nach unserer Rückkehr hatte Barbara mich verlassen.
Ich zog meine kurze Hose und mein T-Shirt aus und sprang ins Wasser. Lange lag ich seiner Wärme und ließ mich schaukeln. Später schlief ich am Strand ein. Die Sonne brannte auf meiner Haut, heizte mich auf, bis die Grenzen meines Körpers sich aufzulösen schienen und ich mit der Luft, dem puderweißen Sand unter mir zu verschmelzen meinte.
So vergaß ich den Kampf der Interviewer, den kleinen, den großen Simulator, und ich vergaß, dass um mich herum nichts wirklich war. Auch hier an diesem Strand nicht.
Als ich später auf den Sonnenuntergang wartete, lief ich ein gutes Stück die Bucht entlang. Nach einigen hundert
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