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Der Simulator

Der Simulator

Titel: Der Simulator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Lalli
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Transparente hinzuweisen, die in aller Schnelle zusammengezimmert worden waren.
    Zufälligerweise waren die Holzstangen der Transparente massiv genug, um sie als Schlagstöcke einzusetzen, und so war in vorderster Linie ein heftiger Schlagabtausch mit den Polizisten im Gange. Eine Szene, die an altertümliche fernöstliche Schlachten erinnerte.
    »Wir schaffen es, wir schaffen es!« rief Benson, und auch Schmitt schien von der Szene, die die fliegenden Stereokameras einfingen, mehr und mehr gefesselt. »Nur noch durch diese Tür«, feuerte er seine Streitmacht weiter an, als könne sie ihn tatsächlich hören.
    Keinen Augenblick zweifelte ich daran, dass der Simulator das Ziel des aufgebrachten Mobs war. Zweifelsohne würde nicht viel davon übrig bleiben, sollten die aufgebrachten Interviewer tatsächlich bis in den Keller, bis in die heiligen Hallen vorstoßen.
    Das war also der letzte, alles entscheidende Kampf. Hier ging es nicht nur um den Milieu-Simulator, hier ging es um den Fortbestand der ganzen Welt, des Universums.
    Ich hatte recht behalten, meine Vorhersage, der große Steuermann würde zu einem letzten großen Schlag ausholen, um die Bedrohung von seinem Werk doch noch abzuwenden, hatte sich bewahrheitet. Das zumindest musste der Doc jetzt eingestehen.
    Sollte es den Interviewern gelingen, den Sinex-Simulator zu zerstören, dann hatten auch wir alle eine Chance, weiter zu bestehen. Sollte es ihnen nicht gelingen... Ich wollte mir die Folgen ihres Scheiterns nicht ausmalen.
    Obwohl es um Leben oder Tod ging, um unser aller Schicksal, wollte und konnte ich nicht bis zur Entscheidung warten. Ich warf dem Doc einen Blick zu und stand auf. Er bedachte mich mit dem gleichen Stirnrunzeln wie kurz zuvor. Vielleicht beunruhigte es auch ihn, meine spekulative Annahme so schnell empirisch belegt zu sehen. Ich hatte ihn mit seinen eigenen Waffen geschlagen.
    Benson nahm keine Notiz von mir, als ich ging. Auch sonst schien sich im Haus niemand dafür zu interessieren. Zu groß war die Aufregung in den Grüppchen, die sich überall vor den TriVid-Monitoren gebildet hatten.
    Draußen stand ich eine Weile unschlüssig herum und beobachtete die Flugzeuge, die lautlos den Landebahnen des Frankfurter Flughafens entgegenglitten. Sie sanken vor der Skyline der Südstadt wie auf langgezogenen Schienen und verschwanden irgendwann im Westen zwischen den Häuserfronten.
    Was sollte ich tun? Wohin sollte ich gehen? Zurück nach Ziegelhausen ins Büro konnte ich nicht. Nicht jetzt und vielleicht nie wieder. Kurz dachte ich an Samantha, kurz erwog ich, sie anzurufen. Schließlich machte ich mich auf den Weg zum Bahnhof. Das blieb mein naheliegendes Ziel, und früher oder später musste ich dorthin zurück.
    Während die Schlacht einem ungewissen Ausgang entgegentobte, blieb mir nur untätiges Warten. Unerträgliches Warten. Alles in mir schrie nach Ablenkung, nach Betäubung, nach Vergessen. Am liebsten hätte ich die Zeit mit einem Griff ein paar Stunden weitergedreht.
    Noch während ich überlegte, wie ich mir die Wartezeit vertreiben könnte, fiel mir das Hologramm einer Videospielhölle auf. Ich stand genau davor, und ohne zu überlegen, trat ich ein.
    Drinnen empfing mich Halbdunkel, nur an der Kasse brannten einige wenige LEDs. In seiner schusssicheren Kabine saß ein dürres Männchen unbestimmten Alters. Als er mich eintreten sah, drückte er auf einen Knopf, und ein Lied erklang aus den versteckten Lautsprechern, ein alter, fast vergessener Schlager.
    »Mädchen, Mädchen, Mädchen?« fragte er. »Wie haben junge, alte, schlanke, fette, schwarze, blonde. – Minderjährige?« Er zwinkerte. Ich schüttelte den Kopf. »Dann vielleicht Jungs?«
    Der Bahnhofsgegend haftete noch immer ein schlechter Ruf an, und dieses Etablissement schien das zu bestätigen. Ich sah mich zweifelnd um.
    »Sauber, alles sauber. Hygienisch, antiseptisch, staatlich geprüft und getestet.« Er kicherte schrill. Es klang wie eine Klingel. Ich kniff die Augen zusammen, um ihn genauer zu betrachten. Aber er schien aus Fleisch und Blut, keine Holoprojektion eines interaktiven Programms.
    »Keine Menschen«, unterbrach ich ihn. »Menschenleere Landschaften, friedliche Landschaften. Keine gefährlichen Tiere... Keine Naturkatastrophen, keine Abenteuer...«
    Er machte ein langes Gesicht. Während die Grundsimulation relativ billig angeboten wurde, kosteten Extras ein kleines Vermögen. »Wie lange...?«
    Ich warf einen Blick auf meinen Kommunikator. »Zwei

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