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Der Sixtinische Himmel

Der Sixtinische Himmel

Titel: Der Sixtinische Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Morell
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Wiedersehen ersehnt haben musste. Unwillkürlich dachte Aurelio an sich selbst, als Kind, wenn Tommaso von einer seiner endlos scheinenden Reisen nach Hause zurückgekehrt war und wie er seinen Vater dann umschlungen und seinen Kopf gegen dessen Bauch gepresst hatte.
    Margherita bemerkte die Hilflosigkeit, die Aurelio angesichts ihrer stürmischen Begrüßung überfiel, löste sich von ihm und legte ihm die Hände auf die Arme. Ihre Augen glänzten vor Freude. »Mein großer Engel.«
    Aurelio wusste nichts zu erwidern.
    Piero hatte ihn losgeschickt, um für das Abendessen einzukaufen. Auf dem Rückweg vom Portico di Ottavia hatte er dann einen kleinen Umweg auf sich genommen, um am Circus Agonalis und an Santa Maria della Pace vorbeizugehen. Neben Sant’Agostino, wo die Kurtisanen es mit den Geistlichen sogar auf dem Altar treiben sollten, waren nämlich die ehemalige Rennbahn sowie die Kirche, deren Fassade Aurelio beim ersten Mal so bestaunt hatte, als Kurtisanentreffpunkte bekannt. Er wusste, dass er nicht darauf hoffen durfte, an einem dieser Orte Aphrodite zu begegnen, doch vielleicht würde er irgendwann die göttliche Imperia oder eine andere berühmte Kurtisane zu Gesicht bekommen. Oder Margherita wiedersehen.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragte sie und hakte sich bei ihm unter. »Ich will alles wissen – ganz genau.«
    Aurelio klemmte sich die Einkäufe unter den Arm und ließ sich zögerlich Richtung Circus Agonalis entführen. Junge Männer, die in Begleitung von Kurtisanen über die Piazza stolzierten, gehörten ebenso zum Stadtbild wie die Pilger, von denen sich zeitweise mehr in Rom aufhielten, als die Stadt Einwohner zählte. Dennoch spürte Aurelio, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg, als Margherita ihn mit stolz erhobenem Haupt quer über die Piazza zog. Schwungvoll strich sie sich ihre roten Locken aus dem Gesicht, die das eingefangene Sommerlicht in flüssigen Honig verwandelten.
    »Wenn du weiter so auf deine Füße starrst«, sie zog ihn so fest an sich, dass sein Arm gegen ihre Brust drückte, »stolperst du noch drüber.«
    Erst als Aurelio davon berichtete, was ihm seit seiner Ankunft alles widerfahren war, gelang es ihm, den Blicken der Entgegenkommenden einigermaßen standzuhalten. Begeistert erzählte er, wie Michelangelo, der berühmte Bildhauer, ihn erst abgewiesen, dann aber doch bei sich aufgenommen hatte und dass er jetzt einer Bottega angehörte, die seinem Meister helfen würde, das Gewölbe der Sistina mit einem neuen Fresko zu versehen. Nur mit Mühe konnte er den Impuls unterdrücken, vor Margherita damit zu prahlen, dass er dem großen Bildhauer sogar Modell stehen würde. Es hätte kaum einen Unterschied gemacht. Vergeblich bemühte er sich, den Stolz auf den Respekt, den Piero ihm entgegenbrachte, nicht allzu sehr durchklingen zu lassen. An Margheritas Reaktion konnte er ablesen, wie sehr die Begeisterung aus ihm sprach.
    »Wie ist es dir ergangen?«, fragte er schließlich.
    Inzwischen hatten sie den Circus wieder verlassen, und Margherita steuerte sie sicher durch ein Knäuel namenloser Gassen, in dem sie sich bestens auszukennen schien.
    Ihr Aufstieg zur Königin der Kurtisanen ließ auf sich warten. Noch. An Freiern herrschte kein Mangel, wie sich denken ließ. Die Natur des Mannes war so eingerichtet, dass sein Geist dem Fleisch am Ende immer unterlag. Täglich lieferte das Haupt der Welt den Beweis dafür. Ob Pest, Malaria oder die Franzosenkrankheit – nichts konnte dem Manne wirklich die Lust austreiben. Eine bemitleidenswerte Kreatur, wirklich.
    »Wenn du mich fragst«, überlegte sie, »hat sich Gott da ein hübsches Kuckucksei ins Nest gelegt. Er hat das Verlangen des Mannes so beschaffen, dass auch die teuflischste Seuche ihm keinen Einhalt gebieten kann.«
    Aurelio spürte die Wärme ihres Körpers, schluckte wortlos und dachte daran, wie sehr er selbst seit einiger Zeit von diesem Verlangen verfolgt wurde. Margherita redete mit ihm wie mit einer alten Freundin. Dabei hätte ihr doch klar sein müssen, dass Aurelio spätestens seit ihrer letzten gemeinsamen Nacht sehr genau wusste, wovon sie sprach.
    Margheritas Informationen hatten sich bewahrheitet: Die Stadt war voll von Männern, die sich der Gunst einer Kurtisane versichern wollten. Bedauerlicherweise waren das Einzige, wovon es noch mehr gab, Frauen, die diese Gunst feilboten. Zudem war Margheritas Typ nicht gefragt, jedenfalls nicht unter Klerikern. Ihre Roben konnten nicht rot genug sein,

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