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Der Sixtinische Himmel

Der Sixtinische Himmel

Titel: Der Sixtinische Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon Morell
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Bettgenossen mit Argwohn begegnet. Doch für den ungelernten Gehilfen das Geschirr abwaschen zu müssen und darüber hinaus kaum beachtet zu werden, erfüllte ihn mit mehr Groll und Selbstzweifeln, als er ertragen konnte.
    »Wer bist du, dass Michelangelo dich so hofiert?«, zischte Bastiano eines Abends im Bett.
    »Ich bin ein einfacher Bauer von einem Hof bei Forlì.«
    »Ein einfacher Bauer, soso. Und woher hast du dieses sündhaft teure Hemd, das du jeden Dienstag anziehst, wenn du zu deiner Hure gehst?«
    »Maestro Buonarroti hat es mir gekauft. Und sie ist keine Hure.«
    »Bei wem hast du gelernt?«, grummelte Bastiano.
    »Ich …« Aurelio war verärgert. Immer wieder ließ er sich von Bastiano das Gefühl geben, sich verteidigen zu müssen. »Ich hatte nie Gelegenheit, bei jemandem in die Lehre zu gehen.«
    In Bastianos Blick flackerte Argwohn auf. »Und wofür hat er dich dann angestellt?«
    »Ich …« habe begabte Hände , wollte Aurelio entgegnen, besann sich aber eines besseren. Damit hätte er sich in Bastianos Augen nur lächerlich gemacht. Doch er war nicht mehr der unbedarfte Junge, als der er vor vier Monaten nach Rom gekommen war. Und Bastiano war der Letzte in der Bottega, dem es zugestanden hätte, ihn mit Herablassung zu behandeln. »Maestro Rosselli hat mir den Umgang mit der Kelle beigebracht. Ich habe ihm geholfen, das Gewölbe zu verputzen. Außerdem …«
    »Außerdem?«
    »Maestro Buonarroti möchte, dass ich ihm Modell stehe.« Aurelio biss sich auf die Lippen.
    Bastiano drehte ihm den Rücken zu. »Das erklärt natürlich einiges.«
    »Das erklärt was?«, insistierte Aurelio.
    »Na, weshalb er dich in teure Kleider steckt und dich behandelt wie … seine persönliche Kurtisane.« Bastiano beugte sich über den Bettrand und blies die Kerze aus. Die Dunkelheit umgab sie wie ein Käfig. »Die gekaufte Muse …« Bastianos Worte wurden vom Schwarz der Kammer geschluckt. »Gib nur schön acht auf dein edles Hemd. Nicht, dass es am Ende noch Schaden nimmt.«
    Als Aurelio am darauffolgenden Dienstag sein sorgfältig gefaltetes Hemd aus dem verschnürten Beutel zog, war auf Brusthöhe ein faustgroßes Loch hineingebrannt.
    Er packte den grinsenden Bastiano am Kragen und drückte ihn gegen die Wand. Michelangelos Skizze, die dort seit der Nacht lehnte, in der Aurelio seinen Traum, selbst Künstler zu werden, zu Grabe getragen hatte, flatterte aufgeregt davon.
    »Warum tust du das?«, schrie Aurelio. »Was habe ich dir getan?«
    Bastiano reagierte so schnell, dass Aurelio erst hinterher begriff, was geschehen war. Zweimal bohrte sich seine Faust in Aurelios Rippen, und als der daraufhin zusammenklappte, traf ihn Bastianos Knie im Gesicht. Noch bevor Aurelio seine Hand zum Mund führen konnte, war seine Lippe bereits geschwollen.
    »Dass es dich gibt, reicht mir schon!«, schrie Bastiano den auf dem Boden kauernden Aurelio an.
    Die Tür wurde aufgerissen: »Was ist hier los?«, rief Rosselli.
    Bastiano rückte sich sein Hemd zurecht und spuckte aus: »Nichts.«
    »Aurelio?«
    Wortlos streckte Aurelio den Arm aus und zeigte sein Hemd vor.
    Rosselli nahm es und untersuchte das Brandloch. »Kannst du aufstehen?«, fragte er.
    Aurelio nickte.
    »Gut, dann lass uns einen Moment alleine.«
    Aurelio ging zum Waschtrog. Seine unteren Rippen schmerzten, doch es war nicht so schlimm wie damals, als er auf dem Marktplatz von einem Pferd getreten worden war. Zudem blutete er aus der Nase, und die Schwellung seiner Lippe war groß wie eine Traube. Doch auch da hatte Aurelio schon anderes einstecken müssen. Bastiano würde sich wundern, wenn er glaubte, dass eine kleine Rangelei ausreichte, um Aurelio Angst zu machen.
    Die Kammertür öffnete sich, Bastiano kam heraus, raunte ihm »Hure« zu und ging zu den anderen in die Küche.
    Kurz darauf legte sich Rossellis Hand auf Aurelios Schulter. Er reichte ihm ein Baumwolltuch: »Geht’s?«
    Aurelio hielt sich das Tuch gegen die Nase: »Halb so schlimm.«
    Piero besah sich die Lippe: »Bastiano hat eigentlich nichts gegen dich. Es ist … Nun, ich denke, du weißt, was das Problem ist. Wenn du willst, dass er weiter in der Bottega bleiben kann, dann … Wenn Michelangelo nach Hause kommt und erfährt, was hier vorgefallen ist … Die Entscheidung liegt bei dir.«
    »Ist gut.« Wieder nickte Aurelio. »Ich denk mir was aus.«
    Rosselli überlegte noch einen Moment. »Ich weiß, dass dir nichts daran liegt, von Michelangelo wie ein … rohes Ei behandelt zu

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