Der Skandal (German Edition)
und die Untersuchung gegen den Gouverneur fallen lassen.
»Das ist … perfide«, sagt Adam nach einer Pause. »Und was wäre die andere Lösung?«
»Ich würde mich nicht nur mit dem Gouverneur anlegen, sondern auch mit Milosz. Hätte ich Chancen, gegen sie anzukommen? Ich müsste Andersson belasten. Ochs und Milosz würden alle Geschütze gegen mich auffahren. Alex könnte angeklagt werden, und ich glaube kaum, dass sie an der Uni davon begeistert wären. Davon abgesehen wäre er unter Umständen vorbestraft. Ich … ich wäre am Ende meiner Karriere angelangt, und du würdest dein Projekt verlieren. Ochs hat großen Einfluss, und wer weiß, welche Steine er Muller Engstroem Architects bei lukrativen Ausschreibungen in den Weg legen würde.«
Adam nimmt ihr Gesicht in beide Hände und küsst sie zart, einen Augenblick lang legt sie ihren Kopf an seine Schulter. Seine Wärme zu spüren tut gut, sie hat es schon fast vergessen, wie er sich anfühlt, sie hat seinen Geruch vergessen, mein Gott, denkt sie, wofür hab ich all die Jahre und Monate gelebt?
»Ruth?«, sagt er ihr leise ins Ohr. »Wir schaffen das schon. Zusammen. Es gibt für alles eine Lösung. Du wirst sehen.«
Sie ist ihm dankbar für seinen Zuspruch, nicht nur dankbar, seine zärtlichen Worte und wie er sie hält, das alles rührt sie, und sie hält auch ihn fest, schlingt ihre Arme um seinen Körper. Viel zu lange hat sie das nicht mehr getan, sie wollte alles allein durchfechten, genauso wie er seine großen Bauprojekte durchgefochten hat, seine Wolkenkratzer erbaut, seine Visionen verwirklicht. Warum musste sie mit ihm konkurrieren? Was für eine verschwendete Energie … »Bisher hab ich mich immer wie ein Kapitän gefühlt«, sagt sie, noch immer lehnt sie an seiner Schulter, »der sein Schiff mit ruhiger Hand durch alle Stürme und Stromschnellen steuert. Doch jetzt ist mir das Steuer aus der Hand gerissen worden, ich werde von einer Seite der Reling auf die andere geworfen, während mein Schiff auf zwei Felsen zuschießt.«
Als Adam ihr übers Haar streicht, wünscht sie sich, sie könnten woanders einfach neu anfangen, ohne Zwänge und ohne den vielen Ballast, den sie in ihrem Leben angehäuft haben.
Das fahle Licht von draußen bricht sich hell an den Rändern des Einschusslochs in der Scheibe. Kalter Wind bläst herein, und Christina fragt sich, ob der Schütze sie absichtlich verfehlt hat.
Das Projektil ist ins obere Drittel des Kühlschranks eingeschlagen, in der schwach glänzenden Kühlschranktür erkennt sie ein schwarzes Loch. Sie hört ein Auto wegfahren. Geduckt, mit der Waffe in der Hand, läuft sie zur Hintertür, öffnet sie und schleicht im Schnee durch den Garten, immer im Schutz der Hauswand, bis zur Haustür. Da ist niemand. Nur hinter dem Busch mit den immergrünen Blättern ist der Schnee platt getreten, als hätte dort jemand gestanden. Von dort aus sieht man direkt in ihr Küchenfenster.
Der Schütze war sich sicher, dass er sie getroffen hat.
Hat er gewartet, bis Pete weg war? Hat Pete vielleicht sogar etwas damit zu tun? Nein, das kann sie nicht glauben …
Petes seltsames Lächeln, seine Verabschiedung, sein schmerzlicher Blick auf eine Zukunft, die es nicht geben kann.
Erinnerungen steigen in ihr hoch, einander überlappende blendende Bilder, wie sie damals mit Pete bei Las Vegas durch die Wüste gefahren ist. Seine Stimme kommt von weit her, als er sagt: Wie wäre es wohl, wenn man einfach weiterfahren würde, bis der Tank leer ist. Und dann weiterlaufen würde, Halluzinationen im Kopf … Ich denke, das wäre nicht der schlechteste Tod.
Petes Augen hatten einen seltsamen Glanz.
Als sehnte er sich nach dem Tod.
Hatte er vorhin nicht denselben Glanz in den Augen?
Christina läuft zurück ins Haus.
Auf seinem Handy meldet Pete sich nicht, und als sie bei ihm zu Hause anruft, teilt ihr Sandra schnippisch mit, dass er nicht da ist.
Wenn er sich etwas antut – sie kann nichts tun … Aber vielleicht will er ja auch den Helden spielen …
Sie nimmt ein Provigil, reißt die Jacke vom Haken und rennt zum Auto. Beim dritten Versuch springt es endlich an. Der Wagen schlingert auf der festgefahrenen Schneedecke, sie fährt trotzdem nicht langsamer. Ihr ist klar: Wenn Pete bei Frenette ist, wird er es vermasseln.
Polycorp Minerals – sie hat ein gutes Gedächtnis, selbst jetzt – unter dem Modell des Think Tank stand die Adresse. 1452 Hasting Terrace.
Die Stadt kommt ihr im Schnee leer und tot vor, dick
Weitere Kostenlose Bücher