Der Skandal (German Edition)
ausgetrunken. Ein Schälchen mit Oliven steht daneben, ja, Adam hat Stil. Manchmal trinkt und isst er zu viel. Warum denkt sie jetzt daran? Will sie unbedingt Fehler bei ihm finden – nicht nur bei sich?
»Du willst mir was sagen, stimmt’s?« Adam steht in der Tür.
Hier, in der Küche, jeder mit einem Glas Wein in der Hand, haben sie schon vieles besprochen, sie haben gestritten – und es durchgestanden: entgangene Bauprojekte, Gerichtsverfahren, die von unzufriedenen Bauherren angestrengt worden sind, erfolglose Ermittlungen, drohende Steuerprüfungen und natürlich Alex’ Schulprobleme, seine Veränderungen in der Pubertät, seine Orientierungslosigkeit, seine Selbstisolierung … und obwohl Alex’ Zukunft ganz und gar nicht sicher ist, fühlt Ruth sich an diesem Ort ruhig und zuversichtlich. Sie und Adam werden auch dafür eine Lösung finden.
Ruth nickt. »Wenn Polycorp Minerals die Mine in Ashland wieder schließen müsste, dann würde auch der Think Tank nicht gebaut, oder?«
Verwundert hebt Adam die Brauen. »Ich verstehe dich nicht, Ruth. Sag mir offen, um was es geht.«
»Es geht um dich und mich, um uns, um unsere Zukunft, um … ach …«
»Das war auch nicht gerade verständlicher, Liebling.« Er schaut sie über seine Brille hinweg an. Sie will gerade beginnen, da hört sie Schritte auf der Treppe.
»Alex?«, ruft sie in den Flur und tauscht einen Blick mit Adam.
»Er war schon früh zu Hause.«
Mit wenigen Schritten ist sie im Flur, wo Alex gerade seine Jacke überzieht.
»Wo gehst du hin, Alex?«
»Seit wann willst du das wissen?«, fragt er zurück, ohne sich zu ihr umzudrehen.
»Seit sie dich mit Drogen erwischt haben.«
»Ich hab gewusst, dass du eine Riesengeschichte draus machen würdest.« Er wendet sich zu ihr um und lächelt sie provozierend an.
»Wegen dieser Geschichte, wie du es nennst, kann man mich unter Druck setzen.«
»Du meinst, deine Karriere ist in Gefahr. Siehst du, es geht immer nur um dich.« Es ist sein geringschätziges Grinsen, das sie verletzt, kränkt – und wütend macht.
»Glaubst du, das Leben, das wir dir bieten, ist kostenlos zu haben? Weißt du, wie viel dieses Haus gekostet hat? Wie viel deine Ausbildung kostet? Wie viel die Reisen kosten, die du seit deiner Kindheit gewöhnt bist?« Sie hört sich reden und weiß, dass es zu nichts führen wird.
»Sind wir deshalb glücklicher?«, gibt er arrogant zurück.
»Ich möchte mal sehen, wie glücklich du wärst, wenn wir in einer verwanzten Bruchbude leben würden!« Es ist die Wut, die sie solche Sachen sagen lässt.
»Ach Mom …« Er lacht. »Hör doch auf! Sei endlich mal ehrlich: Nur für dich ist das alles hier wichtig! Und glücklich bist du deswegen trotzdem nicht!« Er grinst sie an, und sie ist nahe dran, ihm eine runterzuhauen – was sie natürlich nicht tut, weil sie es noch nie getan hat … Vielleicht war das ein Fehler, sie hat ihn immer mit Samthandschuhen angefasst, Alex … ihren über alles geliebten Sohn …
»Alex! Sprich nicht so mit deiner Mutter!«, hört sie Adam hinter sich sagen. »Davon abgesehen hat sie recht! Du hast sie in große Schwierigkeiten gebracht! Das ist dir wohl nicht ganz klar! Du weißt nicht, wie das da draußen läuft. Da warten viele nur darauf, deine Mutter fertigzumachen!«
So hat sie Adam noch nie reden hören, so deutlich, noch nie ist er so für sie eingetreten.
Ein paar Augenblicke lang wirkt Alex, als würde er tatsächlich darüber nachdenken, dann lacht er plötzlich auf, schultert seine Tasche und sagt: »Warum legalisiert ihr nicht endlich die Drogen?«
Noch bevor sie oder Adam etwas erwidern können, macht er die Tür auf und geht.
Sie fühlt sich elend. Ist denn alles umsonst gewesen? Die ganzen Anstrengungen, die Entbehrungen? Der Versuch, Vorbild und Orientierung zu sein? Sie liebt ihren Sohn, er war einmal ihr Ein und Alles, und jetzt muss sie mit ansehen, wie er sich immer weiter von ihr entfernt. Ist sie all die Jahre in eine falsche Richtung gelaufen, ist sie einer Illusion hinterhergehechelt? Und hat sie alles andere übersehen? Das, was wirklich gezählt hätte?
Adam legt den Arm um sie.
»Es ist das Alter, Ruth, er wird schon wieder anders.«
»Ich hoffe …« Sie seufzt. Jetzt muss sie es ihm sagen. Sie trinkt ihr Glas leer. »Der Gouverneur bietet mir an, Chief of Police zu werden.«
»Auf einmal? Wie das?«, fragt Adam verwundert.
Dann erzählt sie es ihm. Sie müsste nur ein paar kleine Zugeständnisse machen –
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