Der Skandal (German Edition)
»Ich hab dir doch den Riss gezeigt.«
»Du meinst den Straßenschaden.«
»Es ist nicht nur ein Straßenschaden, Keith«, sagt Harpole mit belehrendem Ton.
Keith kratzt sich unter dem Helm und rückt ihn wieder zurecht. »Hal, meinst du nicht, dass du dich da in was verrannt hast?«
Keith will es einfach nicht begreifen. »Der Giftsee ist nur von einer dünnen Wand gegen den Zufluss zum Lake Superior getrennt«, erklärt Harpole. »Deshalb müssen wir einen anderen Abfluss schaffen, okay?«
Keith nickt langsam. Harpole ist sich nicht ganz sicher, ob Keith verstanden hat, was er meint, denn er fragt: »Und wohin?«
»In einen anderen Hohlraum. Ich hab mir Studien angesehen. Wir müssen an zwei Stellen sprengen.«
Die Katze springt auf den Boden und läuft davon.
»Hal …« Keith stöhnt auf. »Das ist nicht unsere Sache. Wir müssen zuerst mit Frenette reden.«
»Ich hab den Auftrag bekommen, Keith, verstehst du? Ich.«
Keith tritt von einem Bein aufs andere. »Und von wem?«
Harpole lächelt. »Von oben. Von ganz oben.«
»Vom Aufsichtsrat von Polycorp ?« Keith sieht ihn überrascht an.
Harpole muss lachen. Er legt Keith freundschaftlich die Hand auf die Schulter.
»Und warum sagst du das nicht gleich?«
»Keiner soll es wissen. Es gäbe nur unnötig Panik und Gerede. Du weißt doch, wie die Leute sind.« Harpole zwinkert ihm kumpelhaft zu.
Keith zeigt auf die Sprengladungen. »Okay. Wo und wann machen wir’s?«
»Es gibt nur noch ein kleines Problem.«
»Und das wäre?«
»Durch den Druck der Explosion könnte auch die Wand zum Abfluss in den Lake Superior brechen.«
»Sag mal, bist du verrückt?« Keith sieht ihn entsetzt an. »Das kann doch Polycorp Minerals niemals angeordnet haben! Was treibst du hier, Hal? Sabotage?«
Harpole will ihn beruhigen. »Keith«, sagt er, »bitte, du musst dich nicht aufregen, es ist alles richtig, was wir tun. DIE STIMME hat mir den Auftrag gegeben. GOTTES STIMME .«
»Mein Gott, Hal. Du bist überarbeitet. Du leidest unter irgendeinem Stresssyndrom, so was gibt’s.«
Keith legt ihm die Hand auf die Schulter, da horcht Harpole plötzlich auf. DIE STIMME …
»Weiche von mir, Teufel!«, schreit er. In Keith’ Augen erkennt er auf einmal den Blick des Teufels. »Du kannst mich nicht daran hindern! Ich bin Gottes Werkzeug! Der Allmächtige ist für uns gestorben, das Lamm Gottes hat sein Blut für uns vergossen, um die Schuld von uns zu nehmen. Und ich bin auserwählt, den Höllenpfuhl zu vernichten! Deinen Höllenpfuhl, du Teufel! Weiche von mir!« Und Gott gibt ihm, Hal Harpole, etwas in die Hand, es ist eine Axt, eine schwere, blinkende Axt, und Harpole holt aus. Er weiß, dass er das Richtige tut, er lässt die Axt auf den Teufel niedersausen, spaltet ihm krachend den Schädel. Blut spritzt, es spritzt an die Holzwände des Schuppens, auf die Kisten – und es spritzt ihm ins Gesicht. Und dann liegt der Teufel vor ihm.
Harpole kann es immer noch nicht fassen. Keith, wer hätte gedacht, dass Keith ein Werkzeug des Teufels war? Aber heißt es nicht: Das Böse begegnet uns in vielerlei Verkleidung? Genau das haben sie auch im Radio gesagt. Harpole merkt, dass er die Axt noch immer in der Hand hält. Er lässt sie auf den Boden fallen. Er muss an die Arbeit, sagt ihm DIE STIMME .
Muller steht mit Gouverneur Carl H. Ochs in dessen Büro und legt die Plastiktüte vor ihm auf den Tisch.
»Ist das Ihr Hemd?«
Einen Augenblick lang ist er sprachlos. »Mein Hemd?«
»Ihre Frau hat es mir gegeben«, sagt sie unbeeindruckt, »und die Blutspritzer darauf haben in einer Schnellanalyse eine große Übereinstimmung mit dem Blut von Phil Springsteen ergeben.«
»Heather? Sie hat doch mein Alibi bestätigt.« Ochs lacht siegessicher.
»Ihre Frau hat ihre Aussage widerrufen.«
Das ist der Dolchstoß. Seine Züge werden starr, und seine Mundwinkel beginnen zu zucken. »Ruth, ich kann das nicht glauben. Das ist geradezu … unerhört! Wie können Sie so etwas wagen? Sie machen einen Fehler, einen großen Fehler!« Er greift zum Telefon. Sie lässt ihn. »Ich werde jetzt meinen Bruder anrufen, der mich anwaltlich vertritt.«
Noch ist er die Ruhe selbst. Es gibt für alles eine Lösung, einen Deal, drückt er damit aus, das weiß Muller, sie macht eine Handbewegung Richtung Tür. »Nicht nötig, Ihr Bruder wartet draußen.«
»Sie haben ihm gegenüber diese unglaublichen Anschuldigungen schon erwähnt?«, sagt Ochs und kneift die Augen ungläubig zusammen.
»Sagen
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