Der Skandal (German Edition)
allein sein …«
Sein Blick gleitet über ihr Gesicht, über ihre kräftigen rötlichen Haare, dann wandert er hinüber zur Küche, wo schon die Teller mit dem Nachtisch stehen, er riecht den vertrauten Duft von Essen und Kerzen und von ihrem Parfüm und denkt einen Augenblick lang, dass sie das Gespräch gar nicht geführt haben, dass er jetzt einfach nur das Glas heben sollte, und alles wäre wie sonst. Aber dann blickt er in ihr Gesicht.
Wortlos steht er auf, dreht sich um, geht in den Flur, nimmt die Daunenjacke von der Garderobe, zieht seine gefütterten Schuhe an, macht die Haustür auf, tritt hinaus und zieht sie hinter sich zu. Die Nachtluft riecht nach Schnee.
Als hätte die Auseinandersetzung mit Heather nicht schon ausgereicht, jetzt musste ihn auch noch Frenette anrufen!
Carl Ochs geht unruhig in seinem Arbeitszimmer auf und ab und versucht mit einem doppelten Whisky Ordnung in seine Gedanken zu bekommen.
Es war ein Unfall, hat Frenette mehrmals beteuert. Kondracki ist betrunken gewesen, er hat rumgeschrien, hat ihn einen Mörder genannt, einen eiskalten Killer, der Tim Andersson, Brad Whitner und noch irgendwen auf dem Gewissen hätte. Er hat sich aufgeführt wie ein Wahnsinniger! Er hat sich auf mich gestürzt, hat auf mich eingeprügelt – ich musste mich doch wehren! Dabei ist Kondracki mit dem Genick so unglücklich auf die Tischkante gefallen, dass er sofort tot war. Wir konnten ihn gerade noch rausschaffen, bevor diese Andersson reinkam. Mein Bodyguard hatte die Idee, ihr die Leiche in den Kofferraum zu legen und sie dann in einen Unfall zu verwickeln …
»Und wo ist Andersson jetzt?«, hat er aufgebracht gefragt.
»Sie wird verhört. Von Muller«, hat Frenette geantwortet, er ist immer noch außer Atem.
»Ganz großartig, Charly!«, hat Ochs wütend erwidert. »Und was machen wir, wenn diese tollwütige Andersson auspackt? Sie war in Springsteens Wohnung. Und es sieht so aus, als wäre sie dort an wichtige Informationen gekommen!«
Ochs hätte losbrüllen können vor Wut. Er hat es geahnt, er hätte es Frenette nicht überlassen dürfen.
»Beantworten Sie auf keinen Fall irgendwelche Fragen, und drohen Sie gleich mit einem Anwalt«, hat Ochs ihm gesagt, bevor er aufgelegt hat.
Jetzt muss er nachdenken. Andersson darf auf keinen Fall die Gelegenheit haben, ihre Verdächtigungen auszusprechen. Und dann ist auch noch diese verdammte Muller im Spiel. Er muss sofort mit Frank sprechen.
Muller hat ihr immer vertraut. Auch wenn Andersson aufbrausend ist, ist sie wirklich so kaltblütig? Warum sollte sie Kondracki umgebracht haben? Andererseits – wie kommt die Leiche in ihren Kofferraum? Wenn Andersson weiter schweigt, kann Muller ihr nicht helfen, das hat sie Andersson zu verstehen gegeben.
Jetzt ist Muller auf dem Weg zu Heather Ochs. »Ich muss dringend mit Ihnen sprechen«, hat die Frau des Gouverneurs am Telefon gesagt, und Muller hat sich sofort auf den Weg nach Madison gemacht – zu dem stattlichen Backsteinhaus mit den Erkern und dem großzügigen Garten.
Heather Ochs ist eine schöne Frau. Das blonde Haar schmiegt sich an ihre Wangen, die braunen Augen haben die richtige Größe und den richtigen Abstand zueinander, ihre Haut schimmert leicht, ihre Lippen haben einen harmonischen Schwung und sind – für eine Frau von einundfünfzig – auffallend glatt und voll. Heather Ochs ist schlank und so groß wie Muller, sie trägt einen perfekt sitzenden Hosenanzug – und Stilettos. Seit sie Muller die Tür geöffnet hat, hält sie ein Hemd mit Blutspritzern in der Hand. Das Hemd ihres Mannes, wie sie gerade erklärt hat.
»Warum haben Sie meinen Kollegen gesagt, Ihr Mann wäre in der Nacht nach dem Konzert zu Hause gewesen?«, fragt Muller.
»Er hat mich darum gebeten.«
»Und wissen Sie, wo er gewesen ist?«
»Nach dem Konzert ist er zu Kirsten Tobey gefahren. Sie ist Anwältin und seit drei Jahren seine … Geliebte.« Heather Ochs sieht ihr dabei direkt in die Augen, das schafft nicht jeder – oder vielmehr jede , denkt Muller. »Sie wissen, dass Sie sich strafbar machen, wenn Sie jemandem zu einem falschen Alibi verhelfen?«
Heather Ochs presst die Lippen aufeinander, ihre Augen sind dunkel und leer. »Wollen Sie mich deswegen festnehmen?«
»Woher soll ich wissen, dass Sie mir jetzt die Wahrheit sagen, Mrs. Ochs?«
»Lassen Sie das untersuchen«, Heather Ochs hält ihr das Hemd hin. »Ich bin sicher, Sie finden etwas Belastendes.«
Muller nimmt es, dann sieht sie sich
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