Der Skandal (German Edition)
um. Wie in einem Hochglanzmagazin, denkt sie. Die dicken hellen Teppiche, die antiken Möbel, die goldgerahmten großformatigen Gemälde, die schweren Vorhänge – Adam würde es als klassisch gediegen bezeichnen.
»Was macht Sie so sicher, Mrs. Ochs?«, fragt Muller weiter.
»Er ist erst gegen vier Uhr morgens nach Hause gekommen. Und nicht, wie nach einer Verabredung üblich, mit dem Wagen, sondern mit dem Taxi, und dann finde ich das«, sie weist auf das Hemd.
»Warum haben Sie das nicht gleich meinen Kollegen gegeben?«
Heather Ochs reckt das Kinn und sieht Muller von oben herab an. »Hören Sie, Captain! Ich hätte Sie nicht anrufen müssen, dann könnten Sie weiter vergeblich nach Spuren suchen. Wenn Sie meine Hilfe also nicht annehmen wollen, dann …«
»Warum tun Sie das?«, unterbricht Muller sie. »Verlieren Sie nicht alles? Ihre Ehe, Ihren Ruf, Ihr Zuhause …«
Heather Ochs’ Blick schweift durch den Raum, über die teure Einrichtung, den Kamin aus schweren Felssteinen und über die Wände mit den Ölgemälden. Dann sagt sie mit einem traurigen Lächeln: »Es ist nie zu spät, sein Leben zu ändern, oder?«
Muller mustert sie. Heather Ochs hat einen Doktor in Psychologie und war Dozentin an der Uni. Offenbar vertrug sich ihre Berufstätigkeit nicht mit der politischen Karriere ihres Mannes – oder sie hatte andere Gründe, ihren Beruf aufzugeben. Auch sie selbst hätte ihren Job aufgeben können, als sie Adam geheiratet hat. Und wie würde sie damit umgehen, wenn Adam eine andere hätte …?
»Ist Ihnen klar, dass Sie Ihren Mann schwer belasten?« So ganz traut Muller Heather Ochs nicht. »Wollen Sie sich an ihm rächen?«
Heather Ochs antwortet nicht sofort. »Ich will nur die Wahrheit sagen. Wenn er sich etwas hat zuschulden kommen lassen, dann muss er dafür zur Rechenschaft gezogen werden wie jeder andere Bürger auch, nicht wahr?«
»Ihr Mann weiß nicht, was Sie jetzt gerade tun, richtig?«, sagt Muller, anstatt zu antworten.
»Nein.«
Muller entdeckt ein triumphierendes Flackern in Heather Ochs’ Augen und sagt: »Sie sollten das Haus verlassen, und zwar so schnell wie möglich.«
Über Heather Ochs’ schönes Gesicht gleitet ein bitteres Lächeln. »Ja, er kann sehr aufbrausend werden.« Ihr Blick fällt auf das Hemd in Mullers Hand. »Ich hole Ihnen eine Plastiktüte.«
Den ganzen Morgen schon grübelt Harpole. Der Abend mit Katie geht ihm nicht aus dem Kopf. Er hat sie enttäuscht. Er hat sie verletzt … Wie eine Last schleppt er diese Gewissheit mit sich herum. Dabei liebt er sie doch. Jedes Mal, wenn er zu diesem Schluss gekommen ist, fängt die Grübelei wieder von vorn an. Mechanisch hat er seine Arbeit auf der Mine verrichtet und sich dann in den Schuppen zurückgezogen.
Und plötzlich steht sie da, die Getigerte, und sieht Harpole mit ihren magischen Katzenaugen an. Ganz langsam streckt er die Hand aus. Er darf sie jetzt nicht erschrecken durch eine unbedachte Bewegung, dann ist das Warten der letzten Wochen, das Vertrauen, dass er mühsam aufgebaut hat, dahin. Nur noch zwanzig Zentimeter.
»Mau«, sagt er leise, »mau, mau, mau …« Und dann streicht er über ihr Fell. Vorsichtig nur und nur ein kleines bisschen, erst an den Pfoten, und als sie sitzen bleibt, wagt er es, ihren Kopf zu streicheln, die Stelle zwischen den Ohren und hinter den Ohren. Sie schließt die Augen und drückt ihren Kopf gegen seine Hand.
»Mau«, sagt er wieder, »maumau.«
Sie fängt an, leise zu schnurren.
Er kann es kaum glauben! Sie war doch so scheu! Er legt die Sprengladungen vorsichtig ab, geht neben ihr in die Hocke und streichelt sachte über ihren Rücken. »Mau … maumau …«
»Hier bist du!«
Harpole erschrickt, springt auf und dreht sich um. »Keith …«
Keith kommt näher.
Bleib, wo du bist, will Harpole ihm zurufen, aber er bringt kein Wort heraus, sondern steht einfach nur steif da.
»Meine Tochter hatte auch mal so eine Getigerte«, redet Keith weiter und streichelt der Katze über den Rücken, die sich seiner Hand wohlig entgegenstreckt. »War überhaupt nicht scheu, aber dafür verfressen! Du brauchtest nur mit den Tellern zu klappern, und wupps saß sie in der Küche!« Keith lacht. »Das gefällt ihr, ist ’ne ganz Verschmuste.«
Geh, denkt Harpole, geh endlich, doch da ist Keith’ Blick schon auf die Sprengladungen gefallen, die auf dem Boden liegen. »Hey, wolltest du was in die Luft jagen?«, fragt er und lacht dabei.
Harpole zögert und sagt dann:
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