Der Skandal (German Edition)
rübergegangen und hätte ihn gefragt, ob er nicht mal jemanden vorbeischicken kann wegen der Nachbarn zwei Häuser weiter, die ihre Hunde immer auf meinen Rasen scheißen lassen.«
Christina versucht sich vorzustellen, was wohl passiert wäre, wenn Tana ihn wirklich angesprochen hätte … Wenn es der Mörder war … dann wäre er vielleicht geflohen … und Tim wäre noch am Leben … und …
Tana reißt sie aus ihren Gedanken. »Mein Gott, Christina … wenn das wirklich ein Polizist … wem kann man denn da noch trauen?« Sie wirft einen Blick zu Amy, die von ihrem Gespräch nichts mitbekommt und immer noch mit ihrem Nintendo spielt.
Christina spürt auf einmal, wie die Kälte von unten heraufzieht. »Sag niemandem was, okay?«
»Okay.« Tana nickt. »Ich muss los, wenn du mich brauchst …«
Christina nimmt die Zeitung und geht zurück ins Haus. Sie muss unbedingt mit Muller reden.
»Frank!« Carl Ochs sieht von den Zeitungen auf, die wie jeden Morgen auf seinem Schreibtisch bereitliegen, und winkt seinen Bruder herein.
»Vivian, bringen Sie uns bitte noch einen Kaffee.« Sein Blick verfolgt den prallen Hintern seiner Sekretärin.
Frank setzt sich auf den Besucherstuhl, knöpft sein Jackett auf und schlägt die Beine übereinander.
Sein Bruder sieht aus wie in einer Imagewerbung für Anwälte, findet Ochs.
»Das hat uns dein Ausrutscher gekostet.« Frank schiebt ihm einen Zettel zu.
»Ist die Angelegenheit damit erledigt?« Ochs zerknüllt den Zettel mit der Summe, die er so schnell wie möglich vergessen will.
»Und du wirst ihm ein Exklusivinterview nach der Wahl geben müssen.« Frank schnippt einen Fusel von seiner Hose. »So, und jetzt zu deinen Frauengeschichten.«
Ochs beobachtet Frank, wie er einen ganzen Stapel Papiere aus seiner Aktentasche holt. »Heather meint übrigens, sie sieht ordinär aus.«
Ochs bleckt die Zähne. »Natürlich! In ihren Augen sehen alle Frauen mit einer gewissen Oberweite ordinär aus.« Er schnaubt. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr sie mir in den vergangenen Monaten das Leben zur Hölle gemacht hat.«
»Tja, so ist es, wenn man Frauen verärgert.«
»Du scheinst dich ja gut auszukennen mit Frauen. Wann zeigst du mir endlich mal eine deiner Freundinnen?«
Frank lacht, aber da ist etwas in seiner Mimik, das Ochs nicht gefällt. Verheimlicht er etwas? Ochs wartet.
Doch Frank sagt nichts, sondern schiebt Ochs ein Schreiben zu.
»Ich habe es so gemacht, wie wir es besprochen haben: Sie kriegt das Haus in Sag Harbor und die vereinbarte monatliche Zahlung. Im Gegenzug erklärt sie sich damit einverstanden, in den nächsten zehn Jahre nicht die Scheidung anzustrengen.«
»Zehn Jahre lang kann sich dieses Miststück auf meine Kosten vergnügen!«
Ochs nimmt seinen goldenen Füllfederhalter und unterschreibt auf jeder Seite, die sein Bruder ihm aufblättert.
»Reifenaufstechen kommt in der Öffentlichkeit nicht gut an …«, sagt Ochs, während er widerwillig seiner Frau das Haus überschreibt. »Jetzt ist das Thema Ashland wieder hochgepuscht. In jeder Zeitung kannst du es lesen, und im Radio reden sie dauernd drüber.«
»Na und? In deiner Pressekonferenz hast du dich doch ganz klar geäußert. Die meisten stehen auf unserer Seite.« Frank sammelt die Dokumente ein und steckt sie wieder in seine Aktentasche. »Mom lässt dir übrigens ausrichten, du und Heather sollt sie am Sonntagmorgen zur Messe begleiten.«
»Warum? Sie geht doch sonst auch allein. Oder hat Heather ihr etwas gesagt?« Er will sich den Kommentar seiner Mutter nicht vorstellen – den sonntäglichen Kirchgang noch weniger.
»Das war nicht nötig. Du kennst doch Mom. Ihr ist noch nie etwas entgangen.« Frank grinst. Er steht auf und wendet sich zur Tür. »Ach übrigens – deine Krawatte.«
Ochs blickt an sich hinunter. »Ein Geschenk von Kirsten.«
»Kirsten scheint einen besseren Geschmack zu haben als Heather.«
Er wird aus Frank einfach nicht schlau. Die einzige Freundin, die sein Bruder ihm – und seiner Mutter – vorgestellt hat, ist vor ewigen Zeiten eine kleine, pummelige Rothaarige aus dem College gewesen. Und Mom hat ihn daraufhin gefragt, ob er nicht an seine Kinder und an seine Gene denken würde.
Seitdem hat Frank nie wieder ein Mädchen mit nach Hause gebracht – ja, er hat noch nicht einmal von einer gesprochen. Das ist seine Art der Rache. Und Mom hat auch nie wieder nach einer gefragt. Das ist ihre Art, damit umzugehen.
Er will gerade Kirsten anrufen und
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